Ein langer Wirtschaftsboom wird auf die Probe gestellt - Jetzt ist die Politik gefragt

25.01.2019 Wirtschaft

Die Deutschen können auf ein Jahrzehnt Wirtschaftswachstum zurückblicken. Die Beschäftigung steigt auf immer neue Rekordwerte. Der Staat profitiert von den steigenden Steuereinnahmen und die Haushalte von Bund, Ländern, Kommunen sowie die Sozialversicherungen verzeichnen Überschüsse. Allerdings belegen die aktuellen Konjunkturdaten, dass es schwierig sein wird, die Erfolgsstory in gleichem Tempo fortzuschreiben.

Die Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe haben eine gemeinsame Konjunkturprognose vorgelegt. Klar wird, dass viele Rahmendaten für Deutschland und den Euroraum positiv sind. Angesichts von „erheblichen Risiken“ sei die Prognose in diesem Jahr allerdings „mit besonders großen Warnhinweisen versehen“, schreiben die Ökonomen.

Ein langer Wirtschaftsboom wird auf die Probe gestellt - Jetzt ist die Politik gefragt
Abb: Zehn Jahre nach der Finanzkrise weist die deutsche Wirtschaft stabile Wachstumszahlen auf.

Die deutsche Wirtschaft ist in den Jahren 2016 und 2017 noch um mehr als zwei Prozent gewachsen. Bereits im vergangenen Jahr ließ die Dynamik nach und das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg um 1,5 Prozent. Für das laufende Jahr rechnen die Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe in ihrer gemeinsamen Prognose mit einem Zuwachs von 1,3 Prozent. Doch solche Schätzungen sind mit Unsicherheiten behaftet, wie die Ökonomen selber erläutern.

Denn es könnte durchaus passieren, dass die Konjunktur den Rückwärtsgang einschaltet und Deutschland in die Rezession abrutscht. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein solches Szenario droht wird von den Chefvolkswirten immerhin mit 25 Prozent beziffert. Dabei muss nicht das ganze Jahr ein negatives Wachstum ausweisen, als Rezession wird ein Minuswachstum von zwei aufeinander folgenden Quartalen bezeichnet.

Sehr erfreulich sind die Beschäftigungszahlen. Im vergangenen Jahr zählten 44,8 Millionen Menschen in Deutschland als erwerbstätig. Diese Rekordzahl wird im laufenden Jahr wohl nochmals überboten und laut Prognosen der Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe wird im laufenden Jahr dann die 45-Millionen-Marke geknackt. Die Arbeitslosenquote von 5,2 Prozent sänke damit weiter auf 4,9 Prozent ab. Laut der Bundesagentur für Arbeit sank die Zahl der Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt auf 2,34 Millionen, was der niedrigste Wert seit der Wiedervereinigung ist.

Deutschland bleibt eine „Nation der Sparer“

Ein langer Wirtschaftsboom wird auf die Probe gestellt - Jetzt ist die Politik gefragt
Abb: Trotz fehlender Zinsen legen die Deutschen wieder mehr zur Seite, die Sparquote steigt.

Die gute Beschäftigungslage sowie die steigenden Einkommen haben dazu beigetragen, dass die Deutschen trotz Niedrigzinsphase weiterhin eine Nation der Sparer sind. Die Sparquote ist im vergangenen Jahr wieder über zehn Prozent gestiegen und wird sich im laufenden Jahr noch erhöhen, prognostizieren die Ökonomen. Ebenso werden sich die privaten Konsumausgaben erhöhen.

Blickt man darauf, warum sich das Wachstum verlangsamt, wird deutlich dass ein Wachstumstreiber früherer Jahre wegfällt: der Export. Exportweltmeister Deutschland wird durch die Handelskriege, also den international wachsenden Protektionismus gebremst. Der Verkauf von Produkten und Dienstleistungen ins Ausland übertrifft zwar weiter die Einfuhren, aber die Zuwachsraten liegen im Importbereich höher. Dies wird sich im laufenden und kommenden Jahr weiter fortsetzen, heißt es in der Prognose der Chefvolkswirte.

Ein langer Wirtschaftsboom wird auf die Probe gestellt - Jetzt ist die Politik gefragt
Abb: Das Wachstum der Importe wird in den kommenden Jahren wohl das der Exporte übertreffen.

Bemerkenswert für die Volkswirte sind die guten Daten bei den Investitionen. Es sei erstaunlich angesichts des verlangsamten Konjunkturzyklus, dass die Investitionen sowohl im Bau- als auch im Ausrüstungsbereich überdurchschnittlich wachsen würden.

Eine entscheidende Rolle für die künftige wirtschaftliche Entwicklung spielt verständlicherweise die Entwicklung im gesamten Euroraum. So orientiert sich die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) schließlich an der Gesamtstatistik für die Länder der Währungsunion.

Das Wirtschaftswachstum in der Euro-Zone wird laut der gemeinsamen Prognose der Chefvolkswirte im laufenden und kommenden Jahr bei 1,5 Prozent liegen. Damit verliert die Konjunktur europaweit an Schwung. Dennoch wäre ein solches Szenario ein Wachstum oberhalb des Zehnjahres-Durchschnitts, der bei 0,8 Prozent liegt.

Für die EZB wird die Preisentwicklung von zentraler Bedeutung sein, wenn sie über den künftigen geldpolitischen Kurs im Euroraum berät. Die Verbraucherpreise bewegen sich laut den Ökonomen annähernd auf dem Zielniveau der Notenbank. In Deutschland und dem Euroraum prognostizieren sie ein Preiswachstum von 1,7 Prozent im laufenden Jahr und 1,8 Prozent im Jahr 2020.

Ein langer Wirtschaftsboom wird auf die Probe gestellt - Jetzt ist die Politik gefragt
Abb: Die EZB wird die Zinsen für Einlagen von Banken wieder auf Null Prozent anheben.

Die Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe erwarten, dass die EZB aufgrund der Datenlage nun eine Normalisierung der Geldpolitik anstrebt. Negativzinsen für Einlagen der Geschäftsbanken bei der Zentralbank sollten ab Mitte kommenden Jahres beendet werden. Gegen Ende dieses Jahres sollte es bereits den ersten Zinsschritt in diese Richtung geben, so die Prognose.

Die nachlassende Wachstumsdynamik und die Gefahren einer Rezession sollte zudem die Politik zu Wachsamkeit veranlassen, schreiben die Chefvolkswirte. Die Wirtschafts- und Finanzpolitik sei gefordert, die Konjunktur mit stabilisierenden Maßnahmen zu stützen. Dann könne der Aufschwung in diesem und im kommenden Jahr sowohl in Deutschland als auch im Euroraum weitergehen.

[Alle Grafiken sind der Prognose der Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe für 2019 & 2020 entnommen.]


Weitere Informationen