Gegen Fake News und alternative Fakten: Wie „geht“ politische Kommunikation im Zeitalter neuer Medien?

27.09.2017 Politik

Die etablierten Medien verlieren nicht nur Auflage und Quoten, sondern auch Einfluss: Ihre Rolle als Moderator gesellschaftlicher Debatten steht zur Disposition angesichts der wachsenden Bedeutung neuer Medien und der Vervielfältigung von Kommunikationskanälen und Rezeptionswelten. Wie lässt sich gesellschaftlicher Konsens zu grundlegenden Fragen noch erzielen, wenn zunehmend „Fake News“ und „alt. truths“ die Debatten überlagern? Welche Rolle können die klassischen Medien dabei spielen? Und was bedeutet die aktuelle Debattenlandschaft für gemeinwohlorientierte Institutionen wie die Sparkassen?

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Wir haben nachgefragt bei Prof. Dr. Christian Schicha, Professor für Medienethik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Experte für politische Kommunikation.

Der Erfolg aktueller populistischer Tendenzen wird oft mit der Sehnsucht nach Verbindlichkeit, Orientierung und Gewissheit begründet. Andererseits scheinen viele aktuelle Debatten eher Lüge, Beliebigkeit und mediales Spektakel zu verstärken. Wie viel klare ideologische Kontur steckt tatsächlich in den gegenwärtigen Populismen, und wieviel ist eher persönliches oder emotionales Ressentiment?

Grundsätzlich ist der Wunsch nach Verbindlichkeit, Orientierung und Gewissheit menschlich verständlich. Traditionellen Institutionen wie der Politik, den Medien, den Kirchen und den Unternehmen wird vielfach misstraut. Offensichtlich scheinen sie diese Aufgaben nicht angemessen ausfüllen zu können. Populisten können diese Lücke zum Teil dadurch schließen, indem sie die Institutionen kritisieren, jedoch keine eigenen konstruktiven Ideen und Argumente liefern. Insofern wird Populismus aus meiner Sicht zu Recht mit negativen Zuschreibungen in Verbindung gebracht. Der Populist setzt weniger auf rationale Argumentationsverfahren mit reflektiertem Begründen, sondern primär auf Provokation, Polarisierung, Pauschalisierung und die Verwendung von negativen Stereotypisierungen. Dabei sieht sich der Populist als Sprachrohr des angeblich „gesunden Menschenverstands“ und steht auf der Seite der Bürger. Als Gegner des Populismus dienen Machteliten und Institutionen. Da es bei diesen Institutionen und ihren Repräsentanten immer wieder zu vereinzelten Skandalen gekommen ist, ist das Misstrauen der Öffentlichkeit groß. Insofern nutzen Populisten dieses Misstrauen, um Kritik zu üben. Sie bekommen für ihre bisweilen absurden Thesen zunächst eine hohe öffentliche Medienaufmerksamkeit und gewinnen dadurch Anhänger, die einfach nur ihren Protest artikulieren wollen.

Vielfach werden die digitalen Medien für das Aufkommen populistischer Narrative verantwortlich gemacht. Welche Rolle spielen sie tatsächlich? Lässt sich die anfangs erhoffte offene Debattenkultur in der digitalen Sphäre überhaupt noch realisieren?

Die digitalen Medien bieten einerseits die Möglichkeit, Diskurse ohne großen technischen und finanziellen Aufwand zu bewerkstelligen. Prinzipiell kann sich jeder mit entsprechender Medienkompetenz an Debatten auf ganz unterschiedlichen Plattformen artikulieren. Dies ist im Grunde positiv zu bewerten. Gleichwohl hat aber auch die Fülle der destruktiven, zum Teil anonymisierten, Kommentare zugenommen. Phänomene wie Cybermobbing, Shitstorm oder Fake News nehmen rasant zu und richten einen erheblichen Schaden an. Populistische Narrative erzeugen eine hohe Aufmerksamkeit. Sie sorgen für hohe Klickraten, die aus einer ökonomischen Perspektive der Plattformbetreiber zunächst wünschenswert sind.

Debatte und Diskussion sind wesentliche Elemente einer demokratisch verfassten Zivilgesellschaft. Wie kann sich eine solche Gesellschaft wehren gegen Tendenzen, die jede Debatte verweigern wollen?

Grundsätzlich sollte auch der Dialog mit denjenigen gesucht werden, die Debatten verweigern wollen. Da dies nicht immer möglich ist, sollten diejenigen, die den Diskurs ablehnen, aber gleichzeitig andere diskreditieren, auch mit juristischen Mitteln bekämpft werden.

Vielen Strukturen und Institutionen, die für das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft unerlässlich sind, wird mit wachsendem Misstrauen begegnet. Wie lässt sich das Vertrauen in die Funktionstüchtigkeit dieser Strukturen wiederherstellen?

Zunächst ist das Misstrauen in Institutionen bisweilen durchaus berechtigt. Wenn es dort Skandale, Fehler oder Versäumnisse geben sollte, sollten die Medien diese aufzeigen und öffentlich transparent machen. Die Institutionen sollten auf berechtigte Kritik angemessen reagieren, Fehler zugeben und Fehlentwicklungen abstellen. Nur so kann das Vertrauen wiederhergestellt werden.

Kennzeichnend insbesondere für viele westliche Gesellschaften scheint der Verlust eines „common ground“, eines gemeinschaftlich getragenen gesellschaftlichen Fundaments, das die Basis demokratisch ausgetragener Debatten und Meinungsverschiedenheiten bildet. Gibt es den vielfach beschworenen „Riss durch die Gesellschaft“ tatsächlich? Oder laufen Debatten einfach nur nicht mehr entlang klar erkennbarer sozialer Demarkationslinien?

Ich gehe nicht davon aus, dass es einen derartigen Riss in der Gesellschaft tatsächlich in großem Maße gibt. Insgesamt scheinen mir in Deutschland die demokratischen Strukturen immer noch gut zu funktionieren. Populistische Positionen sind nicht übermäßig stark verbreitet. Gleichwohl erreichen provozierende Statements und absurde Behauptungen eine hohe Medienaufmerksamkeit. Hier sind auch Medien gefordert, nach der Maxime „Gründlichkeit statt Schnelligkeit“ zu arbeiten und eine fundierte Recherche zu leisten, bevor sie Nachrichten und Meldungen veröffentlichen, die nicht stichhaltig sind. Wenn Falschmeldungen publiziert werden, trägt dies zum Reputationsverlust von Medien bei. Vorurteile gegenüber der sogenannten Lügenpresse werden dadurch verstärkt und fördern auch populistische Tendenzen.

Die Sparkassen sind, aufgrund ihrer besonderen Geschichte und Verfasstheit, ein wichtiger Bestandteil unseres Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Welche Auswirkungen könnte das Erstarken populistischer Tendenzen für sie haben? Und was könnten die Sparkassen tun, um einer Schwächung zivilgesellschaftlicher Strukturen entgegenzuwirken?

Die Sparkassen sollten ihrer gesellschaftlichen Verantwortung dahingehend gerecht werden, indem sie eine klare Werteorientierung in Bezug auf Glaubwürdigkeit und Transparenz ihrer Arbeit artikulieren und leben. Sie sollten Werte wie die Menschenwürde und Toleranz pflegen und vertreten. Das bereits vorhandene kulturelle Engagement sollte weiter ausgebaut werden. Dabei können auch Initiativen und Institutionen etwa durch Sponsoring unterstützt werden, die sich für das Gemeinwohl engagieren, wie zum Beispiel Amnesty International oder „Reporter ohne Grenzen“.



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