US-EU-Zoll-Deal: Erste Folgenabschätzungen für Mittelstand und Sparkassen
Die Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe haben die Auswirkungen der US-Zölle bereits nach Trumps Wahlsieg im November 2024 und erneut im Mai 2025 ökonomisch einordnend bewertet. Mit diesem erneuten Beitrag nehmen sie eine erste Einschätzung des neuen, ausgehandelten Rahmenabkommens vor. Grundsätzlich bewerten einzelne Ökonomen das Abkommen wie folgt:
Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt DekaBank: “Die Märkte haben erst einmal gelassen reagiert, weil die negativen Wirkungen auf die Wirtschaft sich erst allmählich entfalten werden. Aber dieser US-EU-Deal ist eine Etappe auf einer langen Reise zu einer neuen Weltwirtschaftsordnung. Diese Reise wird uns alle belasten. Insbesondere für den Mittelstand kommt neben den heimischen Standortproblemen noch außenpolitischer Gegenwind hinzu.“
Dr. Moritz Kraemer, Chefvolkswirt LBBW: „Das Ziel der USA mit diesem Deal die Handelsungleichgewichte zwischen Deutschland, Europa und den USA zu verringern wird nicht erreicht werden. Auch Entlastungen durch sprudelnde dauerhafte Staatseinnahmen für die USA werden sich kaum realisieren lassen. Insofern bleiben die Risiken für die Weltmärkte durch die US-Politik hoch.“
Dr. Jürgen Michels, Chefvolkswirt BayernLB: “Das Handschlagabkommen zwischen den USA und der EU reiht sich ein in eine Reihe von anderen Deals ein, bei denen die USA ihre Macht im Militär- und Technologiebereich auf der Handelsebene ausgespielt haben. Diese Politik der Stärke dürfte Nachahmer finden, die die bisherigere globale Handelsstruktur und Lieferketten beschädigt.“
Korbinian Dress, Chefvolkswirt Hamburger Sparkasse: “Freihandel, Globalisierung und weltweite Arbeitsteilung haben zum Wohlstandsgewinn der letzten Jahrzehnte geführt von dem fast alle Regionen der Erde profitiert haben. Hier sind die USA von der treibenden Kraft zum Bremsklotz geworden. (Der berühmte Gründervater der Außenhandelstheorie David Ricardo würden diesen Entwicklungen jedenfalls ganz und gar nicht gefallen.) Es bleibt nur zu hoffen, dass sich nun nicht auch noch die anderen Wirtschaftsblöcke untereinander mit Zöllen überziehen, um umgeleitete Warenströme zu vermeiden.“
Dr. Reinhold Rickes, Chefvolkswirt DSGV: „Die Unsicherheit bleibt hoch. Mit den jetzt vorliegenden Zollvereinbarungen ist klar, dass das deutsche Wachstum belastet wird. In diesem Jahr dürften wir eine Stagnation erleben und im nächsten Jahr wird die erhoffte Erholung deutlich um rund über ein halbes Prozent Wachstum gedämpft. Das sind keine guten Nachrichten für den Mittelstand und die Institute der Sparkassen-Finanzgruppe.“
Prof. Carsten Wesselmann, Chefvolkswirt Kreissparkasse Köln: „Der deutsche Mittelstand ist durch den US-EU-Deal massiv belastet. Seine Geschäftsmodelle müssen angepasst werden. Dazu zählen vor allem die Anpassung von Investitionsstrategien und Markterschließungsansätzen. Das bedeutet ein hohes Maß an Flexibilität, Weitsicht und Innovationen. Hierbei muss der Mittelstand wirtschaftspolitisch gestärkt werden.“
Der „US-EU-Deal“
Mit den Entscheidungen vom 27. Juli sind die Eckpunkte für den transatlantischen Handel zwischen der EU und den USA nun einstweilen grob fixiert. Ein Verhandlungserfolg für den freien Handel ist dies nicht. Welthandel, Güter- und Dienstleistungsmärkte in Europa, den USA und in der Welt werden sich anpassen, und insgesamt zu Wohlstandseinbußen führen. Die vor allem von der US-Administration diktierten Regelungen fallen belastend für uns in Deutschland und Europa aus. Die europäische Seite akzeptiert einseitig die nun in Höhe von generell 15 Prozent fixierten Zollsätze und verzichtet auf die vorbereitenten Zollerhöhungen in Richtung USA. Obendrauf werden noch Investitionen in den USA und der Kauf von Energie und Rüstungsgütern von dort versprochen. Für Stahl und Aluminium gelten die bereits höheren Sätze grundsätzlich fort. Eine wirkliche Gegenleistung enthält der „Deal“ nicht. Lediglich für europäische Auto-Exporte in die USA gelten nun nicht mehr die zwischenzeitlich verlangten 25 Prozent, sondern nur der allgemeine Satz von 15 Prozent für EU-Exporte in die USA. Zudem soll es nach Presseberichten für einzelne ausgewählte Warengruppen eine „Null für Null“-Zölle im transatlantischen Handel geben (bspw. Flugzeuge, bestimmte Agrarprodukte, Chemikalien, Halbleiter, kritische Grundstoffe etc). Die im Detail noch offene Vereinbarung einer solchen möglichen Liste von Gütern zeigt, dass die Unsicherheit hoch bleiben wird. Wir stehen vor grundlegenden Änderungen der internationalen Welthandelsordnung.
Dieser US-EU-Deal ist ein Baustein dieser neuen Weltwirtschaftsordnung. Er ist von den USA auf den Weg gebracht worden, um zwei Ziele zu erreichen: Erstens soll der Leistungsbilanzüberschuss Deutschlands und auch der EU/des Euroraums gegenüber den USA vermindert werden und Investitionen in den USA generieren. Und zweitens soll er mit dazu beitragen, das öffentliche Defizit der USA angesichts der vorgesehenen Steuererleichterungen zu vermindern. Der US-EU-Deal schafft so zwar für kurze Zeit etwas mehr Planungssicherheit für europäische und international agierende Unternehmen und vermeidet noch größere denkbare Belastungen in Eskalationsszenarien. Gerade für den deutschen Mittelstand kommt aber jetzt noch zusätzlicher Gegenwind zu den heimischen Standortproblemen hinzu.
Erste Marktreaktionen
So ist in der Politik und an den Märkten zwar ein gewisses Aufatmen zu verspüren, dass die angedrohten allgemein höheren Zollsätze nicht kommen. Tatsächlich wären die Schäden, auch die Wachstumsverluste in Europa, bei 30 Prozent sicher noch überproportional höher gewesen. Doch die Frage ist, wie glaubwürdig die Drohung damit tatsächlich war. Ein wesentlicher Teil des Zollsatzes wird in die Preise überwälzt werden und ist somit vom US-Konsumenten zu entrichten. Die USA koppeln sich mit ähnlichen Regeln auch gegenüber anderen Ländern und vielerorts installierten Zöllen zunehmend zum eigenen Schaden von der Weltwirtschaft ab. Damit stehen auch die erhofften Staatseinnahmen zur Finanzierung des „One Big Beautiful Bill Act“ in Frage und die Solidität der US-amerikanischen Finanzen. Letztere werden künftig noch stärker im Focus der Märkte stehen. Zudem wird die USA künftig weniger von den Produktivitäts- und Wohlstandsgewinnen des internationalen Handels profitieren.
Bei den ursprünglich avisierten Importzöllen für die EU in Höhe von 30 Prozent wäre der bilaterale Handel zwischen den USA und der EU weitgehend zum Erliegen gekommen. Bei preiselastischen Gütern, begrenzten Profitmargen und bestehenden Handelsalternativen wäre der Export in die USA in vielen Fällen schlicht unterblieben. Nur ein kleiner Rest spezieller Güter wäre noch gehandelt worden. Die erzielbaren Zolleinnahmen wären deshalb für die USA sehr wahrscheinlich bei Sätzen von 30 Prozent sogar geringer als bei 15 Prozent. Unterstellt man die Erzielung von Zolleinnahmen als ein plausibles und rationales Motiv der US-Administration, dann könnte die Drohung mit den hohen Sätzen von vornherein als unglaubwürdig eingestuft werden.
Zusätzliche strategische Aspekte
Dass die europäische Seite die Sätze von 15 Prozent nun in diesem Rahmenabkommen akzeptiert, erzeugt noch weitere Nachteile:
- Die gemachten Zusagen von Investitionen in den USA und bspw. von Energiebezügen von dort bedeuten zusätzliche Fehlallokationen und Verluste, wenn sie nicht nur ins Schaufenster gestellt werden, sondern wirklich als zusätzliche Geschäfte getätigt werden, die sonst nicht stattgefunden hätten. Der nun vereinbarte Betrag bedeutet mehr als eine Verdreifachung der bisherigen jährlichen US-Energieimporte in die EU. Denn solche nur von dem „Deal“ erzwungenen Geschäfte würden sich offenkundig rein ökonomisch von den Renditen und Kosten kaum lohnen. Zudem schmälern sie die Wirkung der angekündigten europaweiten staatlichen Verteidigungsausgaben auf die europäische Wirtschaft.
- Wirkliche Rechtssicherheit ist mit dem „Deal“ nach den gemachten Erfahrungen der letzten Monate nicht erreicht. Vielmehr könnten die Regelungen von der US-Seite jederzeit wieder in Frage gestellt werden, etwa wenn sich das Leistungsbilanzdefizit der USA nicht wie angestrebt reduziert. Ein Abbau des US-Leistungsbilanzdefizites ist schon wegen der noch bestehenden Rolle des US-Dollar als Weltleitwährung unwahrscheinlich (Triffin-Dilemma). Zudem kann das vereinbarte Rahmenabkommen zu weiteren Zolldiskussionen führen, denn zu erwarten ist, dass über die Märkte Umgehungsstrategien folgen und letztlich das US-Budget nicht wie erwartet entsprechende Zoll-Einnahmen verbuchen dürfte.
- Der „Deal“ kann von US-Präsident Trump innenpolitisch erst einmal als Verhandlungserfolg verkauft werden, mehr als es bei Verweigerung einer Abzeichnung von Seiten der EU mit einem einseitig verhängten Zoll gegangen wäre. Für die weitere europäische Verhandlungsstrategie bedeutet dies, dass bei weiteren Maßnahmen seitens der USA geprüft werden müsste, inwieweit dann nicht doch mit Gegenmaßnahmen reagiert werden sollte.
- Um aus der Zollsituation im positiven Sinne künftig wieder herauszukommen, etwa dann, wenn die USA die eigenen Schäden zunehmend erkennen und zurückrudern wollen, besteht in der jetzt getroffenen Konstruktion wenig Verhandlungspotenzial. Hier hat eine Vereinbarung wie von Japan getroffen mit gegenseitigen Zöllen Vorteile. Solche richten erst einmal zwar doppelt Schaden an; insofern ist auch der japanische „Deal“ kritisch zu sehen. Zwischen den USA und Japan wurde zumindest ein symmetrisches Rahmenabkommen erzielt. Damit besteht eine Verhandlungsmasse, um die Zölle künftig gegenseitig auch wieder zurückzuführen. Die einseitige Akzeptanz der EU der US-Zölle bietet ein solches Potenzial nicht. Lediglich die noch kurze Liste der Null für Null-Zölle bietet bei Ausweitung eine Chance, den transatlantischen Handel wieder beleben zu können. Ansonsten müsste die EU die offene Konfrontation wagen und ihrerseits Zölle gegenüber US-Produkten androhen.
Wachstumsverluste zu erwarten
Die US-Zölle für Europa sind mit dem „Abkommen“ auf jeden Fall belastend für alle Volkswirtschaften und insbesondere für den Mittelstand in Deutschland. Der Hauptschaden für die EU, den Euroraum und Deutschland besteht in einem Wachstumsverlust. Die verhängten Zölle erzeugen einen negativen Nachfrageschock, konzentriert auf diejenigen Branchen, die bisher viel in die USA exportiert haben. In der EU insgesamt bleibt die Entwicklung dabei aber wohl über der Wachstumsschwelle. Der Aufschwung wird „nur“ geschwächt, aber nicht komplett zum Erliegen kommen. Anders sieht es dagegen im ohnehin schwächer aufgestellten und von seiner Exportstruktur besonders exponierten Deutschland aus: Hier werden die Zölle voraussichtlich dazu führen, dass das ohnehin schwache Wachstum im Laufe des Jahres weitgehend zum Stillstand kommt. Die Wahrscheinlichkeit eines dritten Stagnationsjahres in Folge in Deutschland steigt damit. Und auch im nächsten Jahr dürfte die Erholung spürbar geringer ausfallen als ursprünglich prognostiziert. Von der Abschwächung des Wachstums dürfen vor allem der Süden und Westens Deutschlands betroffen sein, die besonders intensiv Handel mit den USA betreiben. Dies zeigt auch unserer aktueller Finanzklimaindex und wird durch Studien des Instituts für Weltwirtschaft belegt.
Für die USA selbst sind die Zölle dagegen ein Angebotsschock, der zusätzlich die Preise treiben dürfte. Dies macht den USA den Abbau ihrer Inflationsrate und einen Leitzinssenkungskurs zunehmend schwerer. Zudem sehen wir weiterhin viele Fragezeichen hinter der Budget-Politik und erwarten in den USA eine weiterhin stark steigende öffentliche Schuldenstandsquote.
Für den Euroraum sind die Preiswirkungen bei einem anhaltend starken Euro-US-Dollarkurs (aktuell bei 1,14) noch nicht klar. Die Euroaufwertung wirkt preisdämpfend im Euroraum. Zudem dürften die mit Zoll belastenten Güter bei erhöhtem Angebot in unserem Währungsraum preismindernd auf den Binnenmarkt drücken. Langfristig kommt es dagegen zu einem höheren Kostendruck aufgrund der Produktivitätsverluste durch geringere internationale Arbeitsteilung. Schließlich sind die Umlenkeffekte von Güterströmen aus Drittländern relevant, aber noch nicht final abzusehen. So steht etwa noch der „Deal“ zwischen den USA und China aus. Dort deutet vieles auf eine härtere Verhandlungsführung und Eskalation hin.
Insgesamt werden die langfristigen Wachstumschancen und Wohlstandsgewinne mit diesem Rahmenabkommen weiter beeinträchtigt. Das trifft uns alle: Den Mittelstand und ihre Mitarbeitenden sowie alle Kunden/innen von Sparkassen und Landesbanken.