Neues Gesetz stärkt Verantwortung in den Lieferketten

Neues Gesetz stärkt Verantwortung in den Lieferketten

Mit dem Lieferkettengesetz steigen die Ansprüche an die ökologische und soziale Nachhaltigkeit in den Lieferketten. Die wohlfahrtssteigernde Wirkung internationaler Arbeitsteilung dürfen sie aber nicht gefährden.

Ein Gastbeitrag von Dr. Hubertus Bardt, Institut der deutschen Wirtschaft 

In einer von komplexen Wertschöpfungsketten und differenzierter Arbeitsteilung geprägten Volkswirtschaft ist das Management der Lieferketten zentral. Die Anforderungen hinsichtlich Liefertreue, zeitlicher Präzision und Qualität der Vorleistungsversorgung sind hoch, um die industrielle Produktion aufrechtzuerhalten. Welche Probleme entstehen können, wenn die Lieferketten starken Spannungen ausgesetzt sind, zeigen sich in der Folge der Corona-Krise. Nicht nur Probleme in der Logistik gefährden die Stabilität von Lieferketten. Durch die Einschränkungen bei Auslandsreisen ist es zudem schwieriger geworden, Lieferanten auszuwählen, zu überwachen und zu schulen.

Gerade diese direkten Kontakte werden aber wichtiger, wenn die Verantwortung für ökologische und soziale Nachhaltigkeitskriterien in den Lieferketten wahrgenommen werden soll. In den letzten Jahren sind die Ansprüche an Produzenten in den Industrieländern sowie den Handel gestiegen, die Beachtung von angemessenen Umwelt- und Sozialstandards bei ihren Lieferanten zu sichern. Der Druck ist sowohl in Europa als auch Nordamerika vorhanden und wird in Deutschland durch die Einführung des Lieferkettengesetzes noch verstärkt. Auch auf europäischer Ebene arbeitet man an einer gesetzlichen Lösung zur Erhöhung der Sorgfaltspflicht.

Ein Arbeitsplatz bei einem internationalen Unternehmen ist in vielen Fällen besser als die Beschäftigung in einer heimischen Firma."
Dr. Hubertus Bardt, Institut der deutschen Wirtschaft

Auch ohne spezifische Regulierungen verändern industrielle Investoren die Standards in den Zielländern. Typischerweise bringen Unternehmen aus Deutschland heimische Standards mit oder übertreffen zumindest die üblichen Vorgaben. Dies kann sich in höheren Gehältern, besserer Ausbildung oder in höheren Umweltstandards ausdrücken. Natürlich sind die Lohnzahlungen in Schwellenländern nicht auf dem deutschen Niveau – sonst würde ein entscheidender Wettbewerbsvorteil dieser Länder verloren gehen. Ein Arbeitsplatz bei einem internationalen Unternehmen ist aber in vielen Fällen besser als die Beschäftigung in einer heimischen Firma.

Während bei eigenen Investoren der Gestaltungsspielraum groß ist, ist der Einfluss auf externe Zulieferer deutlich geringer. Spezialisierte Lieferanten müssen nicht nur preislich wettbewerbsfähig sein, vor allem müssen sie ganz spezifische Kompetenzen mitbringen. Dadurch sind die Auswahlmöglichkeiten bei der Wahl von Lieferanten begrenzt. Die Drohung eines De-Listing, wenn bestimmte europäische Nachhaltigkeitsstandards nicht eingehalten werden, wird damit wenig wirksam.

Kontrolle über die Lieferketten stößt an praktische Grenzen

Druck kann nur dann aufgebaut werden, wenn die Marktmacht der Zulieferer klein und der westlichen Weiterverarbeiter groß ist. In diesen Konstellationen können Lieferanten zur Einhaltung strengerer Umwelt- und Sozialstandards gezwungen werden – der Regelfall ist dies aber nicht. Gerade mittelständische Unternehmen würden vor kaum lösbare Aufgaben gestellt.

Besonders schwierig wird es, wenn die Verantwortung auch für Lieferanten der zweiten, dritten und folgenden Stufen übernommen werden soll. Für Importeure in Deutschland fehlt der Zugriff auf diese Wertschöpfungsstufen, zumal auch die Lieferanten die Auswahl ihrer Zulieferer als Teil des eigenen Geschäfts begreifen, der nicht in die Kontrolle Dritter gegeben werden soll. 

Entwicklungschancen wie Wertschöpfung, Beschäftigung oder Zugang zu Technologien werden gefährdet, wenn Verbindungen zu Lieferanten gekappt oder Wettbewerbsvorteile zu schnell aufgegeben werden müssen."
Dr. Hubertus Bardt, Institut der deutschen Wirtschaft

Die Zahl der indirekten Vorlieferanten geht bei größeren Unternehmen schnell in die Zehntausende – bei Großunternehmen auch weit darüber hinaus. Damit wird die Kontrolle und damit faktische Übernahme von Verantwortung in den Ketten praktisch begrenzt. Die reine Sammlung von formalen Bestätigungen über die Einhaltung von Standards würde bürokratischen Aufwand mit sich bringen, aber keine Verbesserung in den Lieferländern.

Gesetzliche Vorgaben sollten auch nicht dazu führen, dass die Zahl der Lieferanten deutlich verkleinert wird. Die Integration von Wertschöpfungsstufen würde die Wohlstandwirkung der Arbeitsteilung reduzieren. Vor allem außerhalb der Industrieländer werden Entwicklungschancen wie Wertschöpfung, Beschäftigung oder der Zugang zu Technologien gefährdet, wenn Verbindungen zu den westlichen Lieferanten gekappt oder Wettbewerbsvorteile zu schnell aufgegeben werden müssen. Nachhaltige Entwicklung, also die Verbesserung von wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Standards bleibt ein dauerhafter Prozess, der nicht beliebig beschleunigt werden kann.