Impulse der Sparkassen-Finanzgruppe zur Wahl zum Europäischen Parlament 2024
Friedensprojekt, starker Wirtschaftsstandort, gelebte Vielfalt – die Europäische Union (EU) hat viele Gesichter. Die EU ist vor allem auch ein politischer Auftrag, den es täglich zu gestalten gilt. „Anpacken“ – diese Einstellung muss mehr denn je das Motto für unsere Zeit sein. Wie kann die EU mit den multiplen Krisen umgehen, welche Lösungen gibt es für die finanz- und wirtschaftspolitischen Herausforderungen, welche politisch klugen Wege sollten beschritten werden, um die europäische Idee weiterzuentwickeln? In dieser Broschüre finden Sie Erwartungen und Impulse der Sparkassen-Finanzgruppe für eine EU der Zukunft anlässlich der Wahl zum Europäischen Parlament 2024.
Anpacken für ein wettbewerbsfähiges und stabiles Europa
Nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa bildet der Mittelstand das Rückgrat der Wirtschaft: 99,8% aller Unternehmen in der EU gehören zum Mittelstand. Um weiterhin von der Globalisierung profitieren zu können, braucht Europa einen wettbewerbsfähigen Standort, an dem Wertschöpfung, Investitionen und Innovationen möglich sind. Erfahren Sie, wie dies gelingen kann.
- Langfristiges wirtschaftliches Wachstum ermöglichen: Das gelingt mit höherer politischer Kohärenz in Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten, der strikten Einhaltung der Konvergenzkriterien sowie der Neugestaltung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) hin zu einem leistungsfähigen Europäischen Währungsfonds.
- Europäische Souveränität stärken: In Schlüsselbereichen muss die EU souverän auftreten („small yards, high fences“), um die technologische Zukunft Europas zu sichern und Abhängigkeiten zu reduzieren, beispielsweise in der Halbleiterindustrie.
- Herausforderungen der Zukunft begegnen: Dafür sind unbürokratische und praktikable Förderprogramme notwendig, mit geringen Antragshürden, attraktiven Zinsvergünstigungen bzw. Tilgungszuschüssen oder bei Bedarf Haftungsfreistellungen.
- Abhängigkeit reduzieren und Multilateralismus bewahren: Europa sollte mehr internationale Handelsabkommen (z. B. mit Indien und Indonesien sowie Ländern in Westafrika und Südamerika) zur Diversifizierung von Lieferketten und Handelsbeziehungen anstreben.
- Mehr mittelständischen Export generieren: Europas Wohlstand basiert zu einem wesentlichen Teil auf dem wirtschaftlichen Erfolg, den KMU auf den globalen Exportmärkten erzielen. Um mehr mittelständischen Export zu generieren, sollte der Zugang von KMU zu Exportkreditgarantien mit Volumina unter zehn Millionen Euro („Small Tickets“) verbessert werden.
- Ausreichende Kreditversorgung gewährleisten: Die Kreditversorgung ist für Unternehmen – insbesondere KMU – ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und muss bei regulatorischen Vorgaben stets bedacht werden. Dazu zählt auch der Schutz von Kreditsicherheiten von der Hereinnahme bis zur Insolvenz.
- Bürokratie reduzieren: Überregulierung ist zum Hemmschuh für die Wirtschaft geworden und muss abgebaut werden, um Europas Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.
- Innovationsgeist fördern: Die Politik sollte die Wirtschaft bei ihren Innovationen unterstützen – etwa durch die aktive Beteiligung an Reallaboren, Public Private Partnerships und EU-Projekten. Beispiele hierfür sind Pilotprojekte zur Erprobung von digitalen Identitäten/einer digitalen EU-Wallet (POTENTIAL und NOBID) und das Digitallabor der Sparkassen-Finanzgruppe, die unsere Vision einer innovativen Zukunft vorantreiben.
Anpacken für Regionalität, Diversität und vielfältige Strukturen in Europa
- Vielfalt in Europa erhalten: Diversität braucht auch Europas Bankenmarkt. Denn Stabilität entsteht durch Verantwortung in den jeweils passenden Strukturen vor Ort. Die Sparkassen-Finanzgruppe ist im europaweiten Vergleich einzigartiger Teil einer vielfältigen Finanzwirtschaft, die den Bedarfen kleiner, mittlerer und großer Unternehmen sowie den Bürgerinnen und Bürgern stets passgenau gerecht wird.
- Institutssicherungssysteme erhalten: Die bestehenden Institutssicherungssysteme von Sparkassen und Genossenschaftsbanken garantieren Stabilität der regionalen Wirtschaftskreisläufe, höchsten Schutz der Spareinlagen und beugen ernsten Finanzkrisen vor – dies darf durch eine vergemeinschaftete Einlagensicherung nicht gefährdet werden.
- Proportionalität wirkungsvoller berücksichtigen: In der EU müssen Proportionalität und eine Differenzierung nach Geschäftsmodellen stärker zu Leitmotiven des aufsichtlichen und regulatorischen Handelns werden.
- Kommunale Strukturen bewahren: Die Beteiligung kommunaler Vertreter in Aufsichtsorganen der Sparkassen-Finanzgruppe ist ein wichtiger demokratischer Grundsatz, der sich vor allem aufgrund ihrer Nähe und Kenntnis der örtlichen Besonderheiten bewährt hat und deshalb möglich bleiben muss.
Anpacken für weniger Bürokratie und mehr Nachhaltigkeit
- Betriebsgröße bei Regulierungen berücksichtigen: Die Bürokratie muss zwingend begrenzt und abgebaut werden, damit der Umbau zu mehr Nachhaltigkeit Priorität bekommt und die Wettbewerbsfähigkeit in der Region gewahrt bleibt. Berichtspflichten und Regulatorik müssen proportional nach Betriebsgröße gestaffelt sein.
- Komplexität abbauen: Die komplexen gesetzlich vorgesehenen Fragen zur Nachhaltigkeit in der Wertpapierberatung schrecken viele Kundinnen und Kunden ab. Diese Präferenzabfrage muss stark vereinfacht werden.
- Transformation als Motor und nicht als Bremse neuen Wachstums: Die CO2-Bepreisung muss konsequent vorangetrieben werden, denn ein hoher CO2-Preis fördert Energieeinsparungen und die Eigenproduktion erneuerbarer Energien, was potenziell kostensenkende Effekte haben kann.
- Die EU kann bei Klimaneutralität modernster Standort werden: Taxonomie und Nachhaltigkeitsberichterstattung setzen Standards, welche die globalen Märkte prägen werden – Regulierungen müssen gerade deshalb einfach, proportional und planbar sein. Die Taxonomie sollte vereinfacht werden und das EU-Rahmenwerk zur nachhaltigen Finanzierung den Weg von Braun zu Grün besser honorieren.
Anpacken für ein innovationsstarkes Europa
Der digitale Euro ist für viele Bürgerinnen und Bürger noch ein großer Unbekannter: Sein Mehrwert ist unklar, Dezentralität und Datensparsamkeit werden befürwortet. Für eine erfolgreiche Einführung des digitalen Euro ist die Einbindung von Sparkassen und Banken unerlässlich. Die Sparkassen-Finanzgruppe steht bereit und unterbreitet diese Lösungsvorschläge.
- Ein digitaler Euro – mit enger politischer Begleitung: Die Einführung eines digitalen Euros bedeutet für die Gesellschaft große Umbrüche. Die Pläne von EZB und EU-Kommission müssen deshalb politisch mit allen Betroffenen und Beteiligten umfassend diskutiert werden.
- Ein digitaler Euro – ohne Einlagenabflüsse: Das von der EZB geplante individuelle Haltelimit zeigt, dass ein digitaler Euro auch Gefahren für die Finanzmarktstabilität birgt. Uns ist wichtig, dass durch den digitalen Euro bei Sparkassen und Banken keine Einlagen abfließen und dem deutschen Mittelstand genügend Finanzierungsmasse für die Transformation zu mehr Nachhaltigkeit zur Verfügung steht.
- Ein digitaler Euro – datensparsam und dezentral: Ein digitaler Euro muss den Bürgerinnen und Bürgern bieten, was sie am Bargeld schätzen. Ihr Wunsch nach anonymen Bezahlmöglichkeiten muss geachtet werden. Die Akzeptanz des digitalen Euros braucht deshalb die Option dezentraler Verwahrung (offline), selbstbestimmte Nutzbarkeit und Datensparsamkeit in Kombination mit einer App/Wallet, welche zukünftig auch die eID-Funktionalität beinhaltet.
- Ein digitaler Euro – mit Mehrwert: Wir stehen bereit, im Zusammenspiel mit privatwirtschaftlichen Angeboten wie der European Payments Initiative (EPI) die Einführung und Nutzung eines digitalen Euros zu unterstützen. Dafür muss dieser den Menschen und der Wirtschaft in Europa tatsächlich einen Mehrwert bieten. Die Schaffung ineffizienter Doppelstrukturen im Zahlungsverkehr durch die EZB lehnen wir ab. Die innovativsten Dienste für den Zahlungsverkehr haben sich stets aus dem Markt heraus gebildet.
- Europäische Wettbewerbsfähigkeit mit EPI stärken: Vertrauen in funktionierende Markt- und Wettbewerbsmechanismen, die Angebot und Gestaltung von Instant Payments regeln, ist wichtig – es braucht klare Entwicklungsperspektiven für die European Payments Initiative als kraftvolles Signal an globale Mitstreiter.
- Einsatz digitaler Identitäten fördern: Die Umsetzung der Vorhaben zu digitalen Identitäten hilft, um mit der Entwicklung Schritt zu halten. Die Unterstützung von Anwendungsfällen, unbürokratische Rahmenbedingungen und das Werben bei der Bevölkerung können dem Personalausweis den Schritt in die digitale Welt ermöglichen.
- Open Data ermöglichen: Klare, rechtssichere und kundenfreundliche Regeln für echten Datenaustausch zwischen allen Marktteilnehmern befördern Innovation. Hierzu sind Freiräume der Politik gefragt – Überregulierung legt der Innovation Steine in den Weg.
- Digitalisierung und Vereinheitlichung fördern: Es sollte eine digitale EU-einheitliche Bescheinigung zur Bestätigung des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltsortes (EU-Ansässigkeitsbescheinigung) eingeführt werden, damit Anlegerinnen und Anleger mit einem einzigen Nachweis Erstattungen in mehreren Ländern beantragen können.
Anpacken für kluge und verbraucherfreundliche Finanzdienstleistungen in Europa
Finanzdienstleistungen spielen eine zentrale Rolle im Leben aller Bürgerinnen und Bürger der EU. Die Gewährleistung eines wirksamen Verbraucherschutzes muss einer der zentralen Grundsätze sein, auf dem ein grenzüberschreitender Finanzdienstleistungsmarkt aufbaut. Das sind unsere Vorschläge für eine verbraucherfreundliche Ausgestaltung.
- Qualität in der Beratung statt staatlicher Preisregulierung: Statt einer Kostenregulierung im Wertpapiergeschäft sollten praxisbewährte und marktkonforme Mechanismen genutzt werden, wie z. B. die Schaffung einer zentralen Vergleichswebseite, wie sie bereits für Girokonten besteht.
- Auswahl der Beratungsform für Verbraucherinnen und Verbraucher beibehalten: Die Honorarberatung ist für die meisten Privatkundinnen und Privatkunden nicht erschwinglich und zudem nicht frei von Interessenkonflikten. Eine einseitige Bevorzugung dieser Beratungsform vor der Provisionsberatung ist daher nicht im Interesse der Kundinnen und Kunden. Im beratungsfreien Geschäft finanzieren Zuwendungen wichtige Zusatzleistungen für Selbstentscheider und sollten daher erhalten bleiben.
- Zielgerichtete Verbraucherinformationen statt einer unzumutbaren Informationsflut: Das hilft unseren Kundinnen und Kunden, selbstbestimmte und informierte Entscheidungen zu treffen und schützt sie zugleich vor finanzieller Überforderung und nicht bedarfsgerechten Finanzprodukten. Der Umfang der gesetzlichen Pflichtinformationen sollte die Bedeutung des jeweiligen Rechtsgeschäfts für den typischen Verbraucher widerspiegeln. Bei der Gestaltung von Informationspflichten sollten die zunehmend digitalen Vertriebswege stärker berücksichtigt werden.
- Abbau unnötiger Bürokratie erhöht die Akzeptanz der Beratung bei Anlegerinnen und Anlegern: Speziell für erfahrene Anlegerinnen und Anleger müssen weitere Erleichterungen eingeführt werden, wie z. B. die Möglichkeit zum Verzicht auf bestimmte Informationen oder eine Erweiterung der von der EU-Kommission vorgeschlagenen Erleichterungen bei der Hochstufung zu professionellen Kundinnen und Kunden.
- Verbraucherschutz durch Finanzbildung stärken: Nur mit entsprechenden Kompetenzen können Verbraucherinnen und Verbraucher finanzielle Angelegenheiten souverän regeln und ihre soziale sowie wirtschaftliche Teilhabe stärken. Daher engagiert sich die Sparkassen-Finanzgruppe für mehr sowie bessere Finanzbildung und übernimmt damit gesellschaftliche Verantwortung.
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