DSGV-Pressekonferenz anlässlich der Jahrestagung von IWF und Weltbank

13.10.2017 – Statement von Georg Fahrenschon, Präsident des DSGV

Es gilt das gesprochene Wort. 

Meine Damen und Herren,

herzlich willkommen zur Pressekonferenz des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes anlässlich der Herbsttagung von Internationalem Währungsfonds und Weltbank in Washington.

Seit unserem letzten Treffen an dieser Stelle haben sich grundlegende politische Veränderungen ergeben:

Hier in den USA amtiert seit einigen Monaten ein Präsident, der – um es vorsichtig zu sagen – deutlich andere Akzente als seine Vorgänger setzt: Erstmals seit Jahrzehnten muss auch in den USA wieder für freien Handel und internationale Kooperation geworben werden. 

Alte sicherheitspolitische Konflikte (Iran) brechen wieder auf, neue (Nordkorea) sind hinzugekommen: Die Welt ist unsicherer und unberechenbarer geworden. Es braucht dringend Stimmen der Vernunft und Mäßigung. Deutschland kann und sollte eine solche Stimme sein.

In Großbritannien ist eine vor einigen Jahren kaum für möglich gehaltene Entscheidung für einen Brexit gefallen. Ein realistischer Umsetzungsplan der britischen Regierung ist nicht erkennbar. Ein unkontrolliertes Ende der britischen EU-Mitgliedschaft ist leider im Bereich des Möglichen: 

Die übrige EU muss Großbritannien deshalb in einer Mischung aus Klarheit und freundschaftlicher Verbundenheit deutlich machen, dass ein „Rosinenpicken“ nicht möglich ist. Wer draußen ist, kann die Vorteil des Binnenmarkts nicht nutzen. Wer wirtschaftliche Vorteile genießen will, muss auch Freizügigkeit und Aufenthaltssicherheit für Arbeitnehmer gewährleisten.   

In Frankreich wurde ein bestehendes Parteiensystem durch eine neue Bewegung und einen neuen Präsidenten hinweggefegt: Damit gibt es jetzt Hoffnungen auf echte Strukturreformen in Frankreich, aber eben auch völlig übersteigerte Hoffnungen auf eine „Neugründung“ Europas. Pathos schadet hier vermutlich mehr, als es nützt.

Und in Deutschland brechen nach der Bundestagswahl neue Zeiten an. Möglich scheint derzeit nur eine aus gleich vier Parteien bestehende Regierungskoalition, deren Partner in zentralen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Fragen grundlegend unterschiedliche Vorstellungen haben: 

Wir brauchen vor diesem Hintergrund Vernunft und eine neue Kooperationsbereitschaft. Denn politische Instabilität in Deutschland als bisherigem europäischem Stabilitätsanker wäre Gift für die Zusammenarbeit in der EU.

Ich könnte die Aufzählung der politischen Unwägbarkeiten fortsetzen. Umso wichtiger ist, dass die Risikofaktoren nicht noch durch falsche wirtschafts- und geldpolitische Maßnahmen erhöht werden. Es steht derzeit vieles auf dem Spiel.

Vor diesem Hintergrund sind die Themen dieser Herbsttagung komplex wie selten zuvor. Immer deutlicher wird dabei, wie stark neben der wirtschaftlichen auch die gesellschaftspolitische Stabilität wichtiger Schlüsselländer Einfluss auf die globale Finanzmarktstabilität hat. Und umgekehrt wird immer deutlicher, dass falsche wirtschafts- und geldpolitische Weichenstellungen auch populistische Strömungen befördern können.

Damit wir nicht in einen Abwärtsstrudel aus politischen und finanzwirtschaftlichen Unsicherheiten geraten, müssen die internationalen Akteure unterschiedlichen Strukturen, den spezifischen Stärken und Schwächen vor Ort, mehr Beachtung schenken als bisher. Ich möchte in diesem Zusammenhang eine zu Jahresbeginn vorgelegte, in 28 Ländern erhobene umfassende Vertrauensstudie in Erinnerung rufen:

Erstens: Wir haben es danach weltweit, auch in Deutschland, mit einem dramatischen Verfall des Vertrauens der Bevölkerung in das politisch-wirtschaftliche System zu tun. Keine der vier großen Sektoren - Politik, Wirtschaft, Medien und NGOs - genießt das Vertrauen einer Mehrheit der Bevölkerung.  

Zweitens: Es gibt eine wachsende Kluft beim Vertrauen ins System  zwischen einer besonders informierten Teilöffentlichkeit und der breiten Bevölkerung. Besonders eklatant sind die Unterschiede in den USA, in Großbritannien, Frankreich und Deutschland – also Ländern, die mit populistischen Politikbewegungen zu kämpfen haben.

Und drittens: In den meisten Industrieländern glaubt eine deutliche Mehrheit nicht daran, dass das bestehende wirtschaftlich-politische System in ihrem eigenen Interesse arbeitet – in Deutschland zweifeln hier 62 %, weitere 26 % sind unsicher.

Besonders wichtig sind die Ursachen für das fehlende Vertrauen:

  • 58 % der Befragten kritisieren wirtschaftliche Ungleichverteilung,
  • 57 % haben Sorge vor der Globalisierung, 22% fürchten sie sogar,
  • 57 % kritisieren errodierende soziale und kulturelle Werte,
  • 49 % missfällt das Tempo der Veränderung, hier vor allem die Digitalisierung,
  • und 48 % sorgen sich vor Migration, 25 % fürchten sich sogar davor.

Es gibt wachsende Sorgen vor einem Verlust kultureller, wirtschaftlicher und sozialer Identität. Und es gibt einen wachsenden Zweifel in der Bevölkerung, dass „die Politik“ die Themen im Griff hat oder auch nur sinnvoll beeinflussen kann. Rund zwei Drittel der Menschen  in Deutschland zweifelt etwa daran, dass die bisherige Finanzmarktregulierung mehr wirtschaftliche Stabilität gebracht hat. Das alles bedeutet: Es gibt inzwischen einen enormen Unterschied zwischen „denen da oben“, den Vertretern des sogenannten Establishments, und der breiten Bevölkerung. Machen wir uns nichts vor: Weite Teile der Bevölkerung teilen nicht die Begeisterung für internationale Kooperation und Globalisierung – und schon gar nicht für globale Finanzmärkte.

Ich will die Bedeutung der Sparkassen in diesem Zusammenhang nicht überhöhen. Aber zweifellos sind wir durch unsere dezentrale Struktur näher dran an den Befindlichkeiten der normalen Menschen als viele andere im Finanzsektor. Und gleichzeitig sind wir gemeinsam mit den Partnern in der Europäischen Sparkassenvereinigung ein nicht unwesentlicher Teil des europäischen Finanzsystems. Die ESV repräsentiert mit ihren Mitgliedern ein Drittel des Retailmarktes in der EU und vereint ein Bilanzvolumen von 7,1 Billionen € auf sich – mit einer breiten Kundschaft, einem besonderen Gewicht bei den kleinen und mittleren Unternehmen und mit stabilen Ergebnissen.

 Uns ist es wichtig, dass hier in Washington und insgesamt bei supranationalen Institutionen nicht nur abstrakt über Wirtschafts- und Finanzmarktstabilität gesprochen wird, sondern dass die konkreten Bedürfnisse und Befürchtungen der Bevölkerung stärker ins Blickfeld kommen. Vor diesem Hintergrund möchte ich aus Sicht der Sparkassen-Finanzgruppe einige Aspekte für die globalen Wirtschafts- und Finanzbeziehungen, für die künftige Entwicklung in der EU und für die politische Agenda in Deutschland ansprechen.

Grundsätzlich ist die wirtschaftliche Entwicklung erfreulich. Der in diesen Tagen vorgelegte World Economic Outlook des IWF zeigt dies. Die Weltproduktion soll nach schwachen 3,2 % 2016 in 2017 um 3,6 % und 2018 um 3,7 % zulegen, der Welthandel im Vergleich zu schwachen 2,6 % (2016) sogar um 4,2 (2017) bzw. 4,0 (2018) %. Auch im Euroraum festigt sich nach EZB-Projektionen vom September der Aufschwung. Nahezu alle großen Euro-Länder sind daran beteiligt.

Angesichts dieser Entwicklung ist es unverständlich, dass die europäische Geldpolitik bisher nicht aus dem Krisenmodus herausgefunden hat. Im Gegenteil: Zuletzt wurden die Volumina für den Ankauf von Staatsanleihen sogar noch gesteigert – disproportional mit höheren Anteilen der Staatsanleihen südeuropäischer Länder. 

Einen anderen Weg geht die Fed: Hier haben bereits erste Leitzinsanhebungen stattgefunden, Teilbeträge auslaufender Staatsanleihen aus den QE-Portfolien der Fed werden ab diesem Monat nicht mehr komplett durch Neukäufe ausgeglichen. Die ebenfalls aufgeblähte Bilanzsumme der Fed wird also vermindert und schrittweise von Staatsanleihen bereinigt.

Ich kann nur feststellen: Die aktuelle Konjunkturlage steht einer Rückführung der Anleihekäufe durch die EZB nicht entgegen: Wann, wenn nicht jetzt sollte der Ausstieg aus den „ungewöhnlichen Maßnahmen“ überhaupt noch gelingen? Es ist Zeit, den Ausstieg vorzubereiten. Denn die Nachteile überwiegen inzwischen klar den Nutzen. Schon heute führen Niedrigstzinsen zu einer Umverteilung von Unten nach Oben, weil nicht alle die Chancen der Kapitalmärkte in gleicher Weise nutzen können. Sie beschädigen so die Gesellschaftsordnung und führen zu neuen Ungleichgewichten.

Eine weitere große Gefahr für den Wohlstand einer breiten Bevölkerung sehe ich in protektionistischen Maßnahmen. Wir müssen dafür werben, dass offene Grenzen, ungestörte weltweite Handelsbeziehungen und internationale Kooperation das richtige Konzept für die Zukunft sind - nicht Abschottung, Strafzölle und neue Grenzen. 

Die deutschen Unternehmen sind stark exportorientiert und profitieren in hohem Maße vom wachsenden Welthandel. Deutsche Unternehmen haben in den USA 290 Mrd. € direkt investiert. 4.800 deutsche Tochterunternehmen sind hier ansässig und beschäftigen 837.000 Mitarbeiter. Angesichts der von ihnen in den USA abgeführten Umsatz- und Gewinnsteuern ist der deutsche Exportüberschuss  irrelevant. Umgekehrt sind die USA in Deutschland nur mit 28 Mrd. € investiert. Unsere Chefvolkswirte haben berechnet, dass sich bei einem hier diskutierten Einfuhrzoll von 45 % für die USA Wohlfahrtsverluste von 470 Mrd. US-$ ergeben würden. Protektionismus würde allen schaden, insbesondere aber den USA selbst.

Heute stammt mehr als die Hälfte aller Hidden Champions – also Weltmarktführer aus dem Bereich des Mittelstands – aus Deutschland. Protektionismus würde vor allem diese mittelständischen Unternehmen treffen. Denn die Überwindung nicht tarifärer Handelshemmnisse ist für sie ein besonderes Kostenproblem. Dabei sind mittelständische Wirtschaftsstrukturen besonders geeignet, eine breite Arbeitnehmerschaft an den Vorteilen globaler Wirtschaftsbeziehungen teilhaben zu lassen. Ich würde mir deshalb wünschen, dass die Förderung dezentraler, mittelständischer Strukturen und deren internationale Wirtschaftsbeziehungen auf die globale Politikagenda gesetzt wird.

Nun benötigt jede Volkswirtschaft Finanzmarktstrukturen, die gut zu den übrigen Wirtschaftsstrukturen passen. Denn nach unserer Vorstellung ist die Finanzwirtschaft eine dienende Branche für andere Sektoren. Deshalb geht es bei der Auseinandersetzung um globale Finanzmarktregulierungen nicht nur um technische Fragen der Finanzwirtschaft, sondern um grundlegende Auseinandersetzungen um die passenden Strukturen. Dabei plädieren wir dafür, Gleiches gleich, Ungleiches aber auch ungleich zu behandeln. Deshalb schlagen wir für die Regulierung weniger komplexer Geschäftsmodelle eine sogenannte „small and simple banking box“ vor. Hier kann man tatsächlich von den USA lernen: In diesem Land werden zu Recht Main-Street-Banken regulatorisch deutlich anders behandelt als Wallstreet-Banken. Eine solch deutliche Differenzierung ist auch in Europa dringend notwendig.

Derzeit wird intensiv um neue internationale Standards zur Eigenkapitalunterlegung gerungen. Bis dato sind die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen. Die USA drängen darauf, dass ein Output-Floor eingeführt wird. 72,5 % stehen im Raum. Das wäre schon methodisch widersprüchlich: einerseits mit empirisch unterlegten internen Modellen eine präzise Risikobestimmung zu erreichen – und andererseits dann doch noch eine pauschale Untergrenze einzuführen. Wir halten den Weg der Risikoorientierung mit internen Modellen für sehr viel besser. Das ist das Konzept, das zur Recht auch die europäische Aufsicht mit dem derzeit laufenden Targeted Review of Internal Models (TRIM) verfolgt.

Hinzu kommt, dass der Wert von 72,5 % über der Schmerzgrenze läge. Das hätte spürbare Auswirkungen auf langfristige Finanzierungen. Zudem würden eine Anhebung des Standardsatzes die bislang günstigen Kreditvergaben in der Breite des Mittelstands und im Handwerk erschweren. Von alledem wäre Europa angesichts einer stärker auf Krediten basierenden Finanzierungsstruktur deutlich stärker betroffen als die tendenziell kapitalmarktbasierten USA – nicht zuletzt auch Frankreich, Italien und Spanien.

Konkret würde das bedeuten, dass in Europa Immobilienkredite in den Floor eingerechnet würden, in den USA nicht. Das wäre nicht fair. Denn in den USA werden diese Kredite in aller Regel an die staatlichen Fanny Mae und Freddie Mac ausgegliedert. Sie sind deshalb nicht mehr in den Bankbilanzen enthalten. Vor diesem Hintergrund würde ein solcher Kompromiss bei Basel IV grundlegende Strukturmerkmale des kontinentaleuropäischen Bankenmarkts gefährden, ganz gleich welche Übergangsfristen man vereinbaren würde. Wir lehnen eine solche Lösung daher ab und ermutigen die Verhandlungsführer aus Deutschland und Europa, weiter um eine bessere Lösung zu ringen. 

Unabhängig davon, welches Ergebnis am Ende erzielt wird, muss gelten: Die Regeln müssen diesseits und jenseits des Atlantiks gleichzeitig und verbindlich umgesetzt werden. Das gilt auch die bereits zuvor vereinbarten Baseler Standards. Ich verweise dabei nur auf die Vorschläge der US-Treasury für eine Verschiebung der Umsetzung von bereits beschlossenen Baseler Standards (NSFR, FRTB). Gerade der Standardansatz für Marktrisiken ist aber für die Kalkulation des Output-Floors relevant.

Deshalb ganz klar: Wenn die USA die Gesamtheit der Baseler Regeln nicht punktgenau umsetzen, kann dies auch in Europa nicht erfolgen. Denn es darf nicht sein, dass die USA weltweite Standards setzen, sich dann selbst aber nicht daran halten.

In Europa stehen wir vor einer grundlegenden Weichenstellung: Wie soll es mit der EU weitergehen: Streben wir eine Art bundesstaatliches Gebilde an oder finden wir verbindliche Formen der Zusammenarbeit selbstständiger Nationalstaaten?

Der französische Präsident Macron hat jüngst seine Vorstellungen von einer „Neugründung Europas“ geäußert. Dazu gehören auch Vorschläge für einen bedeutenden europäischen Haushalt und einen europäischen Finanzminister. Als überzeugter Europäer freue ich mich über die Aussicht, dass  Frankreich und Deutschland der europäischen Idee wieder neuen Schwung verleihen könnten. Wir sollten uns aber davor hüten, die in den jüngsten Wahlen in verschiedenen EU-Ländern zum Ausdruck gekommene Skepsis vor einer weiteren Vergemeinschaftung einfach zu ignorieren. Ich glaube, dass man sehr gut begründen muss, welche Kompetenzen man auf die europäische Ebene hebt. Im Bereich der Verteidigungs- oder Außenpolitik beispielsweise kann ich mir das sehr gut vorstellen.

Eine Vergemeinschaftung von Budgets und Haftungen hingegen schwächt Europa. Denn diese Vorschläge leiden an zwei grundlegenden Mängeln:  Zum einen darf man nicht so einfach nationale Budgetrechte aushöhlen – jedenfalls so lange nicht, wie selbstständige Nationalstaaten die EU bilden, deren Parlamente ihr Etatrecht aus demokratischen Wahlen ableiten. Generationen vor uns, nicht zuletzt in Frankreich, haben dafür gekämpft, das Budgetrecht in Parlamenten zu verankern, die in allgemeiner und gleicher Wahl entstanden sind. Ein echter, aber nicht direkt demokratisch legitimierter europäischer Finanzminister mit eigenem Budget passt nicht in eine solche Konzeption. Zum anderen führen neue Haftungsverpflichtungen ohne eine einheitliche staatliche Organisation zwangsläufig zu ordnungspolitischen Fehlanreizen. Denn sie bewirken, dass Haftungslasten gezielt, geschickt, bewusst oder auch unbewusst in andere nationale Budgets verschoben werden können. Ich stelle mir eine neu belebte EU aber nicht als Verschiebebahnhof für Haftungslasten vor. Das würde auf Dauer nur Unfrieden stiften.

Es ist auch eine falsche Vorstellung, Risiken würden kleiner oder besser beherrschbar, nur weil man sie breiter verteilt. Diesem Irrtum ist man mit den Kreditverbriefungen schon einmal erlegen, das Ergebnis war eine weltweite Finanzkrise. Man kann nicht für jemanden haften, auf den man keinen Einfluss hat, dessen Verhalten man nicht kontrollieren kann und dessen tatsächliche Risiken nicht überschaubar sind. All diese Probleme werden durch die bisherigen Finanzmarktregeln – und vor allem ihre Anwendung in der Praxis - nicht behoben. Ich habe auch Zweifel, dass sie in einem System unterschiedlicher Nationalstaaten jemals behoben werden können.

Ich erkenne durchaus an, dass die EU-Kommission mit neuen Vorschlägen auf grundlegende Kritik reagiert. Das hilft aber so lange nicht, wie es nur neue Wege hin zu einem untauglichen Ziel sind. Das ordnungspolitische Grundkonzept ist und bleibt falsch. Deshalb sind wir auch klar gegen eine zwangsweise Vergemeinschaftung der Einlagensicherungen in Europa. Die EU-Kommission hat eigentlich auch ausreichend viel zu tun, die Einhaltung der bereits vereinbarten einheitlichen Sicherungsniveaus in allen EU-Staaten sicherzustellen und zu kontrollieren.

Der bevorstehende Brexit macht einen Wegzug der Europäischen Bankenaufsicht aus London zwingend. Wir halten es für richtig, diesen Schritt zu nutzen und in Frankfurt EBA und die Aufsichtsfunktion der EZB in einer einheitlichen Bankenaufsicht jenseits der EZB zusammenzuführen. Damit der Finanzplatz Deutschland, konkret Frankfurt, vom absehbaren Exodus von Banken von der britischen Insel profitieren kann, müssen in einigen Bereichen noch wettbewerbsfähige europäische Standards in Deutschland etabliert werden. Dazu gehört vor allem die steuerliche Berücksichtigung der Bankenabgabe als Betriebsausgabe – was sie ja auch ist und als was sie in allen anderen Teilen Europas auch anerkannt wird. Aus unserer Sicht wäre es auch sinnvoll, die Abgeltungsteuer beizubehalten.

Damit bin ich bei der deutschen Agenda. Wir halten es für notwendig, der gerechten Einkommens- und Wohlstandsverteilung und damit der Vermögenspolitik in der neuen Legislaturperiode mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Von den Wohlfahrtseffekten der Globalisierung müssen alle Teile der Bevölkerung profitieren können.

In Deutschland sind – gemessen an anderen Ländern im Euroraum – die Vermögen relativ ungleich verteilt, Tendenz steigend. Das hat mehrere Ursachen: Die hohe Bedeutung der gesetzlichen Rentenversicherung mit niedriger eigener Kapitalvorsorge, die niedrige Wohnungseigentumsquote, aber auch die hohe Bedeutung mittelständischer Wirtschaftsstrukturen mit entsprechend hohen Betriebsvermögen bei Unternehmern und Unternehmerinnen. 

Wir halten es deshalb für notwendig, in der neuen Legislaturperiode zwei wichtige Schwerpunkte zu setzen: Erstens sollte die Wohneigentumsförderung eine besondere Bedeutung bekommen. Trotz zinsbedingt hoher Bauintensität in den letzten Jahren ist erkennbar, dass gerade junge Familien und Personen der Mittelschicht angesichts hoher Immobilienpreise und hoher Grunderwerbsteuern ihren Wohneigentumswunsch immer weniger erfüllen können. 

Zweitens brauchen wir dringend mehr Engagement bei der Vermögensbildung von Geringverdienern. Zwar geht es weiten Teilen der deutschen Bevölkerung gut wie selten zuvor – einem relevanten Anteil von 9 bis 15 % aber eben nicht. Das wirkt sich nicht nur im täglichen Leben, sondern besonders in der Alterssicherung aus. Altersarmut ist wieder real. Wir schlagen deshalb vor, das Vermögensbildungsgesetz in den Einkommensgrenzen und im Förderumfang zeitgemäß auszugestalten. Eine Anpassung der Einkommensgrenzen an die allgemeine Preissteigerung, die Verdoppelung der Anlagehöchstbeträge und die Erhöhung der Fördersätze um 5 %Punkte würde die öffentlichen Haushalte 224,2 Mio. Euro jährlich mehr kosten. Das entspricht 0,5 % der Zinsersparnis, die der Bund durch das aktuelle Niedrigzinsniveau im Jahr 2016 hatte.

Dass die Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter auseinandergeht, ist eine wichtige Voraussetzung für gesellschaftliche Stabilität und damit auch für Wirtschafts- und Finanzstabilität. Ich denke, dass dies ein wichtiger Schritt wäre, um das erfolgreiche Konzept der Wiederaufbaujahre Deutschlands aufzugreifen: Wohlstand für alle. Das sollte unser Ziel sein, auch wenn es sicher sehr schwer zu erreichen ist.


Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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