E-Laden muss überall in Europa so einfach sein wie Tanken

20.09.2022 Verbraucher

von Dr. Karl-Peter Schackmann-Fallis*

Elektromobilität kommt in Europa nur voran, wenn beim Stromtanken an E-Ladesäulen einheitliche, durchschaubare und kundenfreundliche Bedingungen herrschen. Doch leider kann davon noch keine Rede sein. Eine aktuelle Untersuchung der Initiative Deutsche Zahlungssysteme (IDZ) in zwölf EU-Ländern zeigt, dass spontanes Stromtanken und Zahlen per Smartphone, Debit- oder Kreditkarte derzeit entweder unmöglich oder extrem umständlich und kostspielig ist. Wer bezahlen will, muss in der Regel zuvor seine Zahlungsdaten hinterlegen und einen Vertrag mit dem Säulenbetreiber abschließen. Akzeptiert er dieses geschlossene Bezahlsystem nicht, so muss er sich meist eine andere Ladesäule suchen, sofern die Akku-Restlaufzeit dies überhaupt noch zulässt.

„Doch auch in Deutschland steht an der Ladesäule längst noch nicht alles zum Besten.“
Dr. Karl-Peter Schackmann-Fallis, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DSGV
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In Europa gibt es hunderte Betreiberunternehmen – darunter Autohersteller und Energiekonzerne, aber auch viele kleine und mittelständische Unternehmen. Sie alle bieten eigene Bezahlkarten und geschlossene Systeme an. Die Not der ungebundenen Reisenden zum Weiterfahren wird genutzt, um Kundendaten zu erhalten und Verträge abzuschließen. Stromtanken kann damit zu einem Abenteuer werden. Das bestätigt und dokumentiert der deutsche ADAC eindrucksvoll in seinem Youtube-Video, das unter anderem an österreichischen und slowenischen E-Ladesäulen entstanden ist.

Die Verbände der Deutschen Kreditwirtschaft, die kommunalen Spitzenverbände, der ADAC, Ladestationenhersteller und Zahlungsinfrastrukturverbände wollen dies im Sinne der Kundinnen und Kunden in Europa ändern. Das Bündnis hatte den europäischen Gesetzgeber aufgefordert, spontanes Bezahlen mit Debit- oder Kreditkarte kontaktlos oder durch Einstecken der Karte an allen E-Ladesäulen in ganz Europa zum Mindeststandard zu erklären. Die EU-Verkehrsminister*innen haben das jetzt allerdings lediglich für Ladesäulen mit einer Mindestleistung von 51 Kilowatt akzeptiert – das sind weit weniger als die Hälfte aller Säulen in den EU-Mitgliedsländern.

Bleibt es auch nach den anstehenden Verhandlungen zwischen EU-Parlament und Rat beim Vorschlag der EU-Verkehrsminister*innen, dürfte das Bezahlchaos an der Ladesäule weitergehen. Zwar dürfen laut EU-Vorschlag künftig vorherige Registrierung und App-Installationkeine Voraussetzungen mehr sein. Jedoch würde der Bezahlvorgang durch das Scannen eines statischen QR-Codes und die manuelle Datenerfassung auf einer Landingpage länger dauern und auch anfälliger für Betrugsversuche werden. Damit bliebe der Vorschlag zum EU-Rechtssetzungsverfahren AFIR (Alternative Fuels Infrastructure Regulation) weit hinter den Standards der deutschen Ladesäulenverordnung zurück und die vom deutschen Gesetzgeber für die Verbraucher gerade erst erreichten kundenfreundlichen Regelungen würden wieder einkassiert.

Die deutsche Ladesäulenverordnung schreibt seit Jahresbeginn ganz klar vor: Stromtanken am Ladepunkt muss „die für den bargeldlosen Zahlungsvorgang erforderliche Authentifizierung“ ermöglichen und „einen kontaktlosen Zahlungsvorgang mindestens mittels eines gängigen Debit- und Kreditkartensystems“ anbieten. Darüber hinaus können die Betreiber selbstverständlich weiterhin auch alternative Zahlungsmöglichkeiten – wie webbasierte Systeme über eine App oder mit einem QR-Code – vorsehen. Auf europäischer Ebene könnte es sich bei den Ladesäulen mit niedrigerer Leistung in Zukunft genau umgekehrt verhalten: Webbasierte Systeme bleiben Standard, und nur wer möchte, kann bei Ladesäulen unter 51 kW die Zahlung mit Debit- und Kreditkarten anbieten. 

Doch auch in Deutschland steht an der Ladesäule längst noch nicht alles zum Besten. Vor allem die Ladetarife sind weiterhin extrem intransparent. Bei den Strompreisen unterscheiden auch viele hiesige Betreiber zwischen Vertragskundinnen und -kunden sowie ungebundenen Spontankäufen. Doch alle Kund*innen in Europa und Deutschland sollten künftig an jeder E-Ladesäule ohne Preisdiskriminierung und Vertragsbindung die weithin gebräuchlichen Bezahlverfahren auswählen können. Nur das gewährleistet Wettbewerb, Datenschutz und spontanes Reisen ohne Suchen, Umwege oder Buchen.

Und nur so wird Elektromobilität in Europa eine Zukunft haben.


* Dieser Beitrag erschien im Magazin "WirKommunalen":