Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe mahnen angesichts steigender Preise zu erhöhter geldpolitischer Wachsamkeit
15.06.2021 - Pressemitteilung Nr. 23
Auf einer gefährlichen Gratwanderung sehen die Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe derzeit die Währungshüter im Euroraum: Einerseits sollen günstige Finanzierungsbedingungen die Konjunktur und damit auch die Inflation anschieben, andererseits darf die Preissteigerung sich nicht übermäßig beschleunigen.
„Anstelle der gewohnten mehrjährigen Konjunkturzyklen sehen wir derzeit drastische konjunkturelle Ausschläge mit heftigen Einbrüchen und stürmischen Erholungsrallyes: Produktions- wie Inflationszahlen vollführen wilde Sprünge, Stimmungsindikatoren vermelden Rekordanstiege, weil mit der desaströsen Lage im Vorjahr verglichen wird und weil aufgeholt werden muss, was in den vergangenen Monaten liegen geblieben ist. Ob die derzeit höheren Preissteigerungsraten dauerhaft sind oder nur ein Inflationsbuckel, werden wir wohl erst in ein oder zwei Jahren sehen. Erhöhte Wachsamkeit ist daher in jedem Fall geboten“, so Dr. Reinhold Rickes, Leiter Volkswirtschaft beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV).
Bei ihren geldpolitischen Entscheidungen müsse die EZB neben den Ausschlägen durch die Corona-Pandemie auch berücksichtigen, dass herkömmliche Inflationsmodelle, die Geldmenge oder Auslastungsgrad als Haupterklärungsfaktoren für Preissteigerungen heranziehen, schon in den vergangenen Jahren deutlich an Erklärungskraft verloren hätten, argumentieren die Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe in ihrem Standpunkt „Geldpolitik über Corona hinaus“. Zwar seien aktuell mit hohen Geldmengensteigerungen, hoher Verschuldung und Angebotsknappheiten viele klassische Zutaten für einen Inflationsprozess vorhanden, dennoch sei damit nicht gesagt, dass diese Zutaten auch in den kommenden Jahren noch vorhanden sein werden.
Beachten müsse die EZB zudem Wechselwirkungen mit der Fiskalpolitik: Noch herrsche zwar Konsens zwischen Regierungen und Notenbankern, dass für eine rasche Erholung von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie ein kraftvoller Einsatz sowohl der Geld- als auch der Fiskalpolitik notwendig ist. Auf längere Sicht sei eine Reduktion der Haushaltsdefizite aber unumgänglich. Wenn daher zuerst die fiskalischen Stimuli zurückgefahren würden, könnte die Flankierung durch eine expansive Geldpolitik noch für längere Zeit notwendig sein.
„Notenbanken sind mehr denn je in der Rolle eines Risikomanagers, der die Gefahren einer zu frühen Straffung der Geldpolitik gegen die einer zu späten abwägen muss. Sollten sich allerdings die Inflationserwartungen im Laufe des kommenden Jahres weiter deutlich erhöhen, muss die EZB allerdings handeln. Selbst um den Preis verschlechterter Finanzierungskonditionen, steigender Volatilität an den Kapitalmärkten und schließlich konjunktureller Bremseffekte ist dann eine geldpolitische Straffung notwendig, um die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik zu erhalten. Der Verlust dieser Glaubwürdigkeit wäre nur mit erheblich größeren Kosten wieder rückgängig zu machen“, so Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank.
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