Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe für mehr Flexibilität, um geldpolitische Ziele der EZB zu erreichen
6. Februar 2020 - Pressemitteilung Nr. 6
Als „enorm wichtige Debatte“ bezeichnen die Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe die Überprüfung der geldpolitischen Strategie, die die Europäische Zentralbank (EZB) zum Jahresbeginn eingeleitet hat. „Es geht jetzt um strategische Weichenstellungen, um die Effektivität der Geldpolitik in einer extremen Niedrigzinsumgebung zu erhöhen und selbst bei Unterschreitung des Inflationsziels mehr Flexibilität zu erreichen. Aus unserer Sicht besteht darüber hinaus die Notwendigkeit, geldpolitische Entscheidungen im gesellschaftlichen Raum besser zu kommunizieren“, so Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank.
Die Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe sind dafür, am gesetzlichen Mandat der EZB – der Preisstabilität im Sinne einer Stabilität des Durchschnitts aller Preise – festzuhalten. Dazu gehört als Nebenbedingung auch die Stabilität des Finanzsystems. Kater: „Eine Verschmelzung von Geld- und Fiskalpolitik halten wir nicht für sinnvoll. Denn das könnte mittelfristig schwerwiegende Gefahren für die Funktionsfähigkeit des Finanzsystems hervorrufen.“
Die Inflationserwartung bei zwei Prozent zu belassen, halten die Chefvolkswirte für sinnvoll und angebracht. Allerdings sind die Inflationserwartungen zunehmend unabhängig vom Wirtschaftsgeschehen. Daher sollte mehr Zeit eingeräumt werden können, um dieses Inflationsziel im Durchschnitt zu erreichen. Das würde auch bedeuten, dass, wenn es Phasen der Unterschreitung des Inflationsziels gibt, die Notenbank auch Phasen der Überschreitung aktiv anstreben muss. Kater: „Wir plädieren für ein Inflationsziel von zwei Prozent mit einer Bandbreite von einem Prozentpunkt nach oben und nach unten sowie der Aussage, dass eine deutliche Unterschreitung des Ziels um mehr als einen halben Prozentpunkt durch eine Toleranz für eine Überschreitung um den gleichen Abstand ausgeglichen wird. Aus unserer Sicht verankert dies die Inflationserwartungen näher an der Mitte der Bandbreite von zwei Prozent und entlastet die EZB von unmittelbarem Handlungsdruck bei Abweichungen.“
Fehlentwicklungen sehen die Chefvolkswirte durch die teilweise antagonistische Wirkung von Regulierung und Geldpolitik. So wurden in vielen europäischen Ländern die Eigenkapitalanforderungen erhöht und gleichzeitig schaltete die EZB die Geldpolitik auf Expansionskurs. Dadurch würde die Kreditvergabe aus dem Bankensystem hinausgedrängt. Dr. Reinhold Rickes, Leiter Volkswirtschaft des DSGV: „Die Kreditvergabe etwa über Anleiheemissionen hat stark zugenommen. Aus diesem Grund wäre zu überlegen, nicht nur den Geld- und Kreditaggregaten, sondern auch weiter gefassten Kreditindikatoren wieder mehr Raum bei den geldpolitischen Entscheidungen zu geben. Dies könnte im Rahmen der vorhandenen monetären Säule der EZB-Strategie geschehen.“
Die Chefvolkswirte begrüßen, dass die EZB für eine bessere Akzeptanz der geldpolitischen Entscheidungen werben will. Denn unabhängige Notenbanken benötigen einen stärkeren gesellschaftlichen Rückhalt als die periodisch durch Wahlen immer wieder neu legitimierten politischen Institutionen. Die Akzeptanz der Geldpolitik und damit auch der EZB in der Währungsunion hat in den letzten Jahren gelitten, in einigen Regionen mehr, in anderen weniger. Um dem entgegenzuwirken, halten es die Chefvolkswirte für angebracht, dass der Zentralbankrat über seine Überlegungen und Diskussionen zu Nutzen und Kosten der geldpolitischen Instrumente gesondert berichtet, etwa darüber, wie effektiv ein bestimmter Instrumenteneinsatz zur Zielerreichung beiträgt oder wie weit permanente Anleihekäufe einer monetären Staatsfinanzierung nahekommen.
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