Diagnose Mittelstand: Flexibilität und finanzielle Reserven helfen durch die Corona-Krise
Der deutsche Mittelstand ist trotz Krise gut gerüstet: Firmenkunden der Sparkassen hielten grundsätzlich an Investitionsvorhaben fest und passten ihre Geschäftsmodelle flexibel an neue Bedingungen an, belegt die „Diagnose Mittelstand 2020“.
Investition und Finanzierung
Die Corona-Krise hat den deutschen Mittelstand zwar unerwartet getroffen, aber nicht unvorbereitet: Kontinuierlich wurden in den vergangenen Jahren große Teile des Gewinns nicht ausgeschüttet, sondern thesauriert und in das eigene Unternehmen investiert.
Im Durchschnitt verblieben jedes Jahr rund drei Viertel des Gewinns nach Steuern im Unternehmen. Die Eigenkapitalquote stieg von 31,3 Prozent im Jahr 2003 bis auf 38,7 Prozent im Jahr 2019. Diese hohe finanzielle Stabilität ermöglicht den meisten Unternehmen, temporäre Verluste aus eigener Kraft über ihr Eigenkapital zu kompensieren.

An langfristigen Investitionsvorhaben halten Deutschlands Unternehmen offenbar auch in der Corona-Krise fest. Zumindest beobachten das 86 Prozent der befragten Firmenkundenberater in den Sparkassen. Zwar meldet jeder zehnte, dass Firmenkunden ihre Vorhaben kurzfristig unterbrechen, aber nur drei Prozent der Firmenkundenberater stellen fest, dass Kunden Investitionsvorhaben komplett aufgeben.
Die Sparkassen stehen den Unternehmen bei ihren Vorhaben zur Seite: Allein im ersten Halbjahr 2020 haben sie rund 54 Milliarden Euro neue Firmenkredite zugesagt, davon 39 Mrd. Euro für Investitionen. Das sind rund 25 Prozent mehr als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum.
Flexibel und belastbar
Nach Einschätzung der Firmenkundenberater der Sparkassen wird der Lockdown kurzfristig keine Insolvenzwelle auslösen: Mehr als drei Viertel der befragten Berater meinen, dass nur zwei Prozent ihrer Firmenkunden bis Anfang nächstes Jahres von einer Insolvenz bedroht seien.

Die Unternehmen in Deutschland reagieren nach Einschätzung der Sparkassen-Fachleute flexibel auf die durch Corona veränderten Bedingungen: 83 Prozent der Firmenkundenberater der Sparkassen haben bei ihren Kunden Anpassungen der Geschäftsmodelle registriert, zum Beispiel bei Bekleidungsherstellern, die auf die Produktion medizinischer Schutzausrüstung umgeschwenkt sind.
Offenbar meistern kleine und mittelständische Unternehmen auf dem Lande die Corona-Krise besser als ihre Wettbewerber in den Großstädten: So gaben in fast einem Fünftel aller städtischen Sparkassengebiete die Berater an, dass mehr als die Hälfte ihrer Kunden Umsatzeinbußen über 20 Prozent verzeichneten. Bei den ländlichen Sparkassen war es nur knapp jeder elfte Berater, bei dem die Gewerbekunden solche hohen Umsatzeinbrüche verkraften mussten. Auch von Kurzarbeit waren ländliche KMU weniger stark betroffen als städtische.

Die Sparkassen-Fachleute bescheinigen daher ländlichen kleinen und mittelständischen Unternehmen eine hohe Krisenresistenz. Sie haben damit zumindest in der Anfangsphase der Corona-Krise geholfen, die gesamtwirtschaftlichen Folgen abzufedern.

Wege aus der Krise
Der Schlüssel zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise liegt nach Einschätzung der Sparkassen-Experten in der Investitionsbereitschaft und Investitionsfähigkeit der Unternehmen. Denn nur durch Investitionen in neue Produkte, Prozesse und Vertriebswege könne der strukturelle Wandel gemeistert werden, der bereits vor der Corona-Krise eingesetzt hat, durch die Entwicklungen der letzten Monate aber massiv verstärkt wurde.
Die KMU-Experten der Sparkassen erwarten vor allem für Unternehmen der Reisebranche (inklusive Hotels), des Einzelhandels und der Gastronomie einen langwierigen Erholungsprozess. Landwirtschaftliche Betriebe, Immobilienunternehmen und unternehmensnahe Dienstleistungen sollten nach Meinung der KMU-Berater nach spätestens drei Jahren die Folgen der Krise überwunden haben.
Damit ergibt sich ein in der Summe hoher, aber nach Branchen stark unterschiedlicher Anpassungsbedarf. Unternehmen, die basierend auf ihrem derzeitigen Geschäftsmodell nicht auf eine mittelfristige Erholung ihrer Umsätze und Gewinne hoffen können, werden gezwungen sein, neue Wege zu gehen. Um eine solche Transformation erfolgreich zu meistern, ist es aber in der Regel nicht nur notwendig, betriebliche Strukturen und Prozesse zu ändern, sondern es bedarf in vielen Fällen auch den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, Investitionen in neue Produkte und Technologien schultern zu können. Hier liegt nach Meinung der Experten der Schlüssel für die nachhaltige Genesung der deutschen Wirtschaft.

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