Schleweis: „Jeder Einsatz für die Gemeinschaft ist willkommen"

Anlässlich der Jubiläumsfeier zum 150. Geburtstag von Johann Christian Eberle am 3. Mai 2019 in Nossen betont DSGV-Präsident Helmut Schleweis die Bedeutung gesellschaftlichen Engagements.

Meine Damen und Herren,

ich bin sehr froh, dass Sie alle gekommen sind, und dass wir heute gemeinsam an Dr. Johann Christian Eberle erinnern: den Bürgermeister von Nossen, den Gründer des ersten deutschen Giroverbands und Sparkassenstrategen. Wobei „erinnern“ immer so klingt, als wäre etwas vorbei und von gestern. So sehe ich das aber gar nicht. Denn die Geschichte, die es hier in Nossen zu erzählen gibt, ist sehr aktuell.

Es ist als erstes die Geschichte von Mut und Vertrauen. Denn als Eberle hier 1898 Bürgermeister wurde, hatte er sich bewusst dafür entschieden, als junger Mensch in einer vergleichsweise kleinen Gemeinde Fuß zu fassen und dort Verantwortung zu übernehmen. Er hat also für seinen persönlichen und beruflichen Weg nicht auf die wirtschaftsstarken Zentren seiner Zeit gesetzt, sondern die oft unterschätzte Kleinstadt gewählt.

Er hatte das Zutrauen, hier etwas bewegen zu können. Die Nossener ihrerseits vertrauten ihre Kommune einem unter 30-Jährigen an. Und wie sich zeigte: Beide Seiten hatten mit diesem Vorschuss-Vertrauen am Ende Recht. Denn beide Seiten haben von der Verbindung profitiert.

Dieses gegenseitige Zutrauen, das brauchen wir heute wieder. Zwischen Jungen und Älteren. Zwischen Alteingesessenen und Zugezogenen. Zwischen Bürgern und gewählten Volksvertretern. Und wir brauchen es gerade in jenen Teilen unseres Landes, die unterschätzt werden, weil sie nicht Berlin, München und Hamburg heißen.

Den Herausforderungen unseres Alltags werden wir immer nur gemeinsam gewachsen sein - in unruhigen Zeiten ganz besonders. Und deshalb ist jeder Einsatz für die Gemeinschaft willkommen, und jede Leistung des Einzelnen zu würdigen. Gerade das ist die Stärke der kleinen Städte, Kreisen und Gemeinden. Und vor allem darin dürfen wir ihnen mehr zutrauen.

Zweitens geht es hier in Nossen um die Geschichte einer stillen Revolution. Denn Johann Christian Eberle hat den sogenannten „Giroverkehr“ im deutschen Sparkassen- und Finanzwesen zum Standard gemacht. Also sozusagen den Schritt vom reitenden Geldboten zum bargeldlosen Zahlungsverkehr. Den gab es zwar schon – aber erst Eberle erkannte im „Überweisen“ die schnellste, innovativste und dabei alltagstauglichste Art, Finanzströme zu organisieren.

Das hat sicher viel Hartnäckigkeit erfordert. Denn bei der Post und bei den preußischen Sparkassen war der Scheckverkehr gängig. Warum also Bewährtes ändern – das hat er sicher oft gehört. Nur in Sachsen sah man es anders – und setzte sich letztlich durch.

Die deutschen Sparkassen sind ohne diese Neuerung nicht denkbar. Und das gilt auch für all die stillen Revolutionen, die Sparkassen seitdem im Zahlungsverkehr an den Markt gebracht haben:

  • Der erste deutsche Geldautomat – stand bei der Sparkasse Tübingen.
  • Mobiles Bezahlen? Kann die Sparkasse, dazu brauchen Kunden weder Fintechs noch amerikanische Internetkonzerne.
  • Bezahlen „Handy zu Handy“: findet in Deutschland weit überwiegend über die Funktion „Kwitt“ der deutschen Sparkassen statt.
  • Instant-Payment: Die Sparkassen vereinen europaweit die meisten Überweisungen in Echtzeit auf sich.
  • Und Konten bei Drittbanken führen? Wenn’s ein solches sein muss, dann kann man auch das aus dem Sparkassen-Online-Banking heraus verwalten.

Die Freude an Innovationen, die viel zur wirtschaftlichen Kraft der heutigen deutschen Sparkassen in Ost und West beiträgt, hat also ihren Keim hier in Nossen.

Noch ein Drittes möchte ich erwähnen, was die Erinnerung an Johann Christian Eberle für uns als Sparkassen-Finanzgruppe so wertvoll macht: Sein Beharren auf bargeldlosem Zahlungsverkehr ermöglichte den Sparkassen ein hohes Maß an Unabhängigkeit – und den Kunden der Sparkassen ein hohes Maß an Sicherheit und Verlässlichkeit.

Der Zusammenhang ist vielleicht nicht sofort ersichtlich, aber schnell beschrieben: Eine Sparkasse nimmt Gelder an, die Menschen für ihre Vorsorge zur Seite, oder genauer „auf die hohe Kante“ legen möchten. Dieses Geld kann die Sparkasse nutzen, um es zum Beispiel anzulegen. Wie sie das von ihr verwaltete Geld genau anlegen soll, dazu hat es zu allen Zeiten immer sehr viele Wünsche, Ansprüche und konkrete Vorschläge gegeben – auch von den kommunalen Trägern der Sparkassen – und auch schon zu Eberles Zeiten.

Dem Bürgermeister und Sparkassen-Aufseher Eberle jedoch waren die Interessen des kommunalen Haushalts nicht wichtiger als die Interessen der privaten Haushalte und gewerblichen Unternehmen. Und das finde ich auch gut hundert Jahre später noch sehr beachtlich.

Eberle war es wichtig, die lokalen Betriebe finanziell zu fördern, ihnen also verlässliche und planbare Kredite anzubieten. Er sorgte damit für Geld, das arbeitet – und so immer neue Arbeitsplätze schafft. Dafür hat er die Sparkasse genutzt, sozusagen als „Transmissionsriemen“ für wirtschaftliche Entwicklung. Denn mit dem bargeldlosen Zahlungsverkehr war die Liquidität der Sparkasse auf einmal sehr viel größer, als sie das vorher rein aus den Spargroschen der Menschen gewesen war.

In Nossen wurde der Grundstein für das moderne Sparkassenwesen gelegt:

  • Für Sparkassen, die Einlagen sicher verwahren, aber zum Nutzen der örtlichen Wirtschaft wiedereinsetzen.
  • Für Sparkassen, die eigenverantwortliches Wirtschaften bei ihren mittelständischen Kunden aktiv unterstützen – und auch selbst eigenverantwortlich sind.
  • Für die enge Verbindung der Sparkassen untereinander – zunächst als Zahlungsnetzwerk, heute sogar als Haftungsgemeinschaft mit einem gemeinsamen Markenauftritt: dem „roten S“.
  • Für langfristige Kundenbindung durch innovative Dienstleistungen. Und für die gemeinschaftliche Verantwortung von Kommunen und Sparkassen für die Menschen vor Ort.

Dies ist die Geschichte einer Persönlichkeit, die viel bewegt hat – und die deshalb in der Sparkassenfamilie auch weltberühmt geworden ist.

Weil sich Eberle konsequent um das Nötige gekümmert hat. Weil er über den Tag hinausgedacht und für das von ihm als notwendig Erkannte auch Mitstreiter gefunden hat. Und vor allem; weil er sich sehr genau angeschaut hat, was die Menschen wirklich brauchen, um ihr Leben leichter und besser zu gestalten.

Und ich glaube das ist auch eine wichtige Botschaft, die Johann Christian Eberle an uns alle hat, die wir heute in diesem Land eine verantwortliche Stellung bekleiden dürfen.

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