Rede von Helmut Schleweis anlässlich der 2. Hessischen Regionalbankenkonferenz zum Thema „Vielfalt erhalten, Verantwortung stärken“ in Brüssel

21.02.2018 – Rede von Helmut Schleweis, Präsident DSGV

Es gilt das gesprochene Wort.

Meine Damen und Herren,

herzlich willkommen zum 2. Tag der Hessischen Regionalbankenkonferenz. Ich freue mich über die Aufmerksamkeit, mit der Sie sich den Anliegen der lokalen und regionalen Kreditinstitute widmen. Viele von Ihnen tun das ja schon seit langer Zeit. Da geht es mir ähnlich, das verbindet uns. 

Ich vermute allerdings, dass Sie uns hier in Brüssel, bei Kommission und Parlament, hauptsächlich als fordernd wahrnehmen: mit unseren Korrekturwünschen zu einzelnen Regelungstexten wie CRD und CRR, und mit unserem Widerstand gegen politische Projekte wie etwa die Vergemeinschaftung der Einlagensicherung. Und wahrscheinlich empfinden Sie das zuweilen als unangenehm. 

Ich glaube aber, dass unsere Anliegen sehr viel verständlicher werden, wenn man sich die Arbeit der Sparkassen aus dem Tagesgeschäft heraus ansieht. Dazu kann ich selber gerne beitragen und freue mich darauf, das in neuer Rolle als DSGV-Präsident in den Gesprächen mit Ihnen zu tun.

Über 30 Jahre habe ich als Vorstand in der Sparkasse Heidelberg operativ Verantwortung getragen. Ich habe dort die ersten Euros ausgereicht, Basel II und III umgesetzt, und unseren Vertrieb digitalisiert. An meine Tür haben die Filialleiter geklopft, wenn wieder einmal umfassende rechtliche Vorgaben technisch umgesetzt, Mitarbeiter geschult und dazu Urlaubssperren verhängt werden mussten. 

Aber vor allem möchte ich Ihnen sagen, mit wieviel Freude sich unsere Beraterinnen und Berater um jeden einzelnen Kunden kümmern. Wer zur Sparkasse geht, will vor allem mit Kunden und für Kunden arbeiten. So verstehen unsere Leute ihre Aufgabe.

Darin steckt aus meiner Sicht eine große, positive Kraft, die Europa nutzen kann. Darüber möchte ich heute sprechen: über regionale Banken, und über die Sparkassen als Chance für ein starkes Europa.

Als Sparkassen übernehmen wir Verantwortung für die Menschen in unserer Region und für unser Trägergebiet als Ganzes. Die Sparkasse Heidelberg hat zum Beispiel gemeinsam mit ihren kommunalen Trägern ein neues Stadtviertel nach Öko-Standards geplant und finanziert. Im Ruhrgebiet oder im Saarland engagieren sich Sparkassen für den wirtschaftlichen Strukturwandel, indem sie gezielt neue Unternehmen unterstützen. Und in Ostdeutschland fördern Sparkassen den Ausbau der Tourismusindustrie als eine der wichtigsten Branchen außerhalb von Ballungsräumen.

Das ist es, was Sparkassen tun: Sie entwickeln Standorte und schaffen dadurch Jobs. Und indem wir die gewerbliche Wirtschaft finanzieren, stärken wir gleichzeitig auch den wichtigsten Anbieter betrieblicher Bildung. 

Unsere Arbeit ist also weit umfassender als die einzelne Kreditvergabe – obwohl wir auch dazu gute Zahlen vorweisen können. Bundesweit sind die Sparkassen und Landesbanken der wichtigste Finanzierer im mittelständischen Kreditgeschäft. Und trotz einer durchschnittlichen Eigenkapitalquote von über 28 Prozent nimmt die Kreditvergabe an den deutschen Mittelstand bei den Sparkassen und Landesbanken weiter zu.

Aber ich will Sie nicht mit diesen Zahlen beeindrucken – ich will Ihnen die dahinterliegenden Strukturen zeigen.

Deutschland hat eine große Zahl an Weltmarktführern und „Hidden Champions“, mehrere hunderttausend kleine und große Mittelständler – The German Mittelstand. Doch nur ein Bruchteil davon hat die nötigen Ressourcen, um sich eine Finanzierung am Kapitalmarkt zu organisieren, sich unmittelbar dem Risiko von Kapitalmarktschwankungen auszusetzen und dann auch wechselnde Investorenentscheidungen wegzustecken. 

Nur ein kleiner Teil der Unternehmen kann mit diesen Unwägbarkeiten umgehen. Und nur für sie sind die Finanzierungsformen der Kapitalmarktunion geeignet. Alle anderen brauchen und wollen die Hausbank. 

„Hausbank“ sind in Deutschland vor allem die Institute der beiden großen dezentralen Verbünde: die Sparkassen mit den Landesbanken und spezialisierten Verbundpartnern, und die Gruppe der genossenschaftlichen Banken, für die Herr Hofmann ja gleich noch sprechen wird. Gerade diese kleinen Volksbanken und Sparkassen sorgen dafür, dass von Ratzeburg bis Dinkelsbühl mittelständische Firmen Arbeitsplätze schaffen, Ideen entwickeln, und Märkte besetzen. 

Dabei wollen die Betriebe weit mehr als nur Kredite. Sie brauchen unternehmerisches Feedback, Stärken-Schwächen-Analysen, branchenspezifische Informationen. Die Unternehmen fordern uns Unterstützung von der Gründung bis zur Auslandsfinanzierung. Und zunehmend auch bei der Begleitung von Unternehmensnachfolgen. 

Es geht also nicht um das große Geschäft für die Banken. Es geht um den täglichen Erfolg der Unternehmen am Markt. Da muss man nah dranbleiben. Deshalb ist es wichtig, dass wir persönlich vor Ort sind und mit den Kunden gemeinsam Konzepte entwickeln können.

Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, wenn auf europäischer Ebene immer wieder die Idee vorgetragen wird, Deutschland sei „overbanked“. Sicher kann man einfache Bankdienstleistungen heute stärker digital anbieten und dieses Angebot organisatorisch bündeln. Das sehen wir auch so und tun das natürlich. 

Aber der Erhalt der dezentralen Wirtschaftsstruktur ist für Deutschland unverzichtbar. Und damit ist auch der Erhalt der dezentralen Kreditwirtschaft für Deutschland essentiell.

Deshalb sehe ich es eher als Alarmzeichen einer allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung, dass in manchen Landstrichen Filialen nicht mehr ausgelastet sind und deshalb verschwinden.

Das bedeutet nämlich, dass dort kaum noch wirtschaftliches Leben stattfindet, weil Einzelhandel, Schulen, Ärzte und andere Nahversorger sich zurückgezogen haben.

Dieser Entwicklung wollen wir als Sparkassen entgegenwirken. Deshalb bleiben wir mit unserem Beratungsangebot, mit unserem Netz für Bargeldversorgung und auch mit ergänzenden digitalen finanzwirtschaftliche Leistungen in der Fläche präsent.

Das darf uns aber betriebswirtschaftlich nicht immer schwerer gemacht werden. Darum brauchen wir Ihren Rückhalt für die Fortführung der provisionsbasierten Beratung. Die Arbeit in Verbundgruppen sollte kleinen und mittleren Kreditinstituten ermöglicht und erleichtert werden. Und die Kreditfinanzierung von Unternehmen muss in der Kapitalmarktunion mindestens gleichwertig gefördert werden im Vergleich zur Finanzierung über die Kapitalmärkte. 

Damit würde Europa Verantwortung übernehmen für starke regionale Banken – und für starke Regionen. Ein starkes Europa braucht beides.

    Meine Damen und Herren, sicher können Sie mit dem Blick auf ganz Europa neben den vielen Positivbeispielen, wo lokale Banken allen Stürmen trotzen, immer auch einige negative Beispiele finden. Aber ich nehme für uns in Anspruch, dass lokale und regionale Kreditinstitute doch näher am Alltag der Menschen und der Unternehmen dran sind als andere. 

    Es ist eine Grundsatzentscheidung, ob man die starken oder die schwachen, die guten oder die schlechten Beispiele zum Maßstab für Regulierung macht. Ich glaube, es wäre gut für Europa, eher entlang der Stärken zu regulieren. Denn es gibt viele Stärken in der europäischen Finanzwirtschaft. 

    Die erste Stärke ist „Vielfalt“. Vielfalt und Wettbewerb sind die beiden wichtigsten Treiber des Europäischen Binnenmarkts. Und eine Bank muss zur Wirtschaft passen, nicht nur zur Aufsicht. Deshalb brauchen wir große und kleine Kreditinstitute, lokale und grenzüberschreitende, Investmentbanken, Bürgschaftsbanken und Förderbanken. Wir brauchen von allem etwas. 

    Diese Vielfalt muss die Regulierung fördern. Drei Punkte sind dazu aus meiner Sicht wichtig.

    Zum Einen sollte die Regulierung ihre Anforderungen proportional ausgestalten – Stichwort Small and Simple Banking Box. Im deutschen Koalitionsvertrag ist eine effiziente und angemessene Regulierung als politisches Ziel der neuen Regierung festgeschrieben. Das begrüßen wir, ebenso wie die Initiativen vieler Europa-Abgeordneter, stärker nach dem Risikogehalt von Geschäftsmodellen und nach der Größe von Instituten abzustufen. 

    Ich würde mich freuen, wenn wir über die Detailgestaltung der Small and Simple Banking Box weiter im Gespräch bleiben.

    Zum anderen sollte uns klar sein, dass Regulierung nicht nur Risiken begrenzen, sondern auch schaffen kann. Sie hat die Macht, Kunden und Banken in Blasen zu steuern. Diese Gefahr besteht konkret bei der einseitigen Förderung sehr spezifischer Leistungen – seien es grüne Anlageprodukte oder Crowd-basierte Finanzierungsformen. Deshalb macht die gute Absicht allein noch lange keine gute Regulierung. Das gilt auch im Verbraucherschutz. 

    Zum Beispiel würden regulatorisch gesetzte Produkt- und Preisvorgaben so stark in die unternehmerische Kompetenz der Institute eingreifen, dass es deren Wirtschaftlichkeit beeinträchtigt. Von solchen Vorgaben sieht der neue Koalitionsvertrag für Deutschland ab – sicher aus guten Gründen.

    Drittens müssen wir neben den technischen Vorgaben aber auch den Aufwand im Blick behalten, den neue Vorgaben in unseren bereits dicht durchregulierten Instituten operativ auslösen. Die Deka, das Wertpapierhaus der Sparkassen, berichtet von 39.000 Manntagen und 85 Mio. Blättern Kundeninformation - allein für die Umsetzung der MiFiD II. Ein solcher operativer Aufwand muss mindestens im Vorfeld realistisch erhoben werden. Das ist für uns ein wesentlicher Bestandteil von „better regulation“. 

    Natürlich kosten umfassende Auswirkungsstudien Zeit. Aber jeder gute Arzt macht erstmal Tests, bevor er schneidet. Wir als Sparkassen können Sie unterstützen, diese Studien effizient und aussagekräftig zu gestalten, indem wir Ihnen unsere Erfahrungswerte aus dem gelebten Leben zumelden. Dazu sind wir gerne bereit. 

    Die zweite Stärke, die auf europäischer Ebene mehr gesehen werden sollte, ist neben der Vielfalt kleiner und lokaler Banken ihr großer Beitrag zur Stabilität des Finanzsystems.

    Ich habe schon von der Mittelstandsfinanzierung und der Belebung des ländlichen Raums gesprochen. Damit hängt die Frage der Einlagensicherung eng zusammen. 

    Denn woher kommen denn unsere Mittel, Betriebe aller Branchen und Größenklassen zuverlässig zu finanzieren? Sie kommen maßgeblich aus den Einlagen unserer Kunden, private, gewerbliche und institutionelle.

    Die Kunden vertrauen uns ihre Einlagen an. Das tun sie sicher nicht wegen der attraktiven Zinsen. Sondern sie kommen zu uns, weil sie bisher wissen, dass weder von rechts noch von links in unsere Sicherungssysteme hineingegriffen wird. Und übrigens auch nicht von „oben“!

    Wir erwarten Respekt vor diesem Vertrauen. Deshalb stellen wir uns deutlich gegen Pläne, die Einlagensicherung in Europa zu vergemeinschaften. Der Koalitionsvertrag für die neue Bundesregierung stellt richtig fest, dass Risiko und Haftung nicht getrennt werden dürfen. Eine vergemeinschaftete europäische Einlagensicherung würde dieses Prinzip verletzen. 

    Daraus ergibt sich für uns, dass die Institutssicherung der dezentralen Verbünde in Deutschland bestehen bleiben und voll funktionsfähig belassen werden muss. Die Institutssicherung ist die Basis für unsere Verbundzusammenarbeit. Sie gewährleistet die Stabilität der Institute – und damit auch des Finanzplatzes Deutschland insgesamt.

    Im Übrigen ist es eine Täuschung der Öffentlichkeit, zu behaupten, dass nur durch eine als Transfersystem angelegte Einlagensicherung ein einheitliches Sicherungsniveau in Europa erreicht werden könne. Dieses einheitliche Niveau ist bereits seit 2015 – durch die Einlagensicherungsrichtlinie und die darin vereinbarten einheitlichen Standards – von Rechts wegen in Kraft. 

    Mit dem Argument, wir bräuchten EDIS, weil die Regeln von Rat, Kommission und Parlament nicht greifen, schwächt man hingegen nicht nur das Vertrauen in Einlagen. Damit beschädigt man auch das Vertrauen in die Europäische Union als Rechtsgemeinschaft. Ich sehe nicht, dass wir es uns in Europa derzeit leisten können, diesen hohen Preis zu zahlen.

Meine Damen und Herren, die lokalen und regionalen Kreditinstitute in Deutschland stehen für die Stärken Europas. Sie bringen Dynamik in den Binnenmarkt, weil sie die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen finanzieren. Sie fördern die Vielfalt unserer Märkte und unserer Regionen, die immer auch ein Wettbewerb um gute Ideen ist. Sie stützen das Vertrauen der Menschen in einen Wirtschaftskreislauf, der alle Städte und Gemeinden einbezieht und den Einzelnen beteiligt.

Ich möchte abschließend noch einen Gedanken ergänzen, der mir in all den Jahren, die ich das Brüsseler Geschehen nun beobachte, bisher gefehlt hat. Denn gerade die kleinen Kreditinstitute, denen man es vielleicht am wenigsten zutraut, leisten einen entscheidenden Beitrag zu einem modernen Europa.

Die Sparkassen-Finanzgruppe entwickelt und betreibt finanzwirtschaftliche Innovationen mit großer Breitenwirkung für den Alltag von Millionen Kunden – private Haushalte, Hersteller und Händler.

  • Wir bieten digitale Services, die den Menschen Zeit und Wege sparen.
  • Wir fördern neue Infrastruktur-Maßnahmen wie Cloud, Data Analytics und moderne IT-Architektur.
  • Wir verknüpfen uns technisch mit Fintechs.
  • Wir nutzen die Blockchain-Technologie.
  • Und wir entwickeln selbst.

Die über 40-millionenfach im Markt vertretene SparkassenCard gibt es 2018 als Handyfunktion. Damit machen die Sparkassen mobiles Bezahlen alltagstauglich. Und die Sparkassen-Finanzgruppe geht bei der Einführung von Instant Payments voran, also dem Bezahlen in Echtzeit. Wir haben das schon für Überweisungen per Handy von Privat zu Privat. 

Die Sparkassen werden die erste Institutsgruppe in Deutschland sein, die Mitte 2018 Echtzeit-Überweisungen flächendeckend einführt. Zahlungsvermittler und andere Zwischennutzer braucht es dann absehbar nicht mehr, weil jeder, der etwas verkauft, sofort sieht, dass das Geld da ist. 

Sie sehen: Wir sind zwar nur kleine lokale Banken – aber wir bringen neue Technologien millionenfach in den Markt. Dadurch leisten wir einen wesentlichen Beitrag zur Digitalisierung der größten Volkswirtschaft Europas. 
Dabei wünschen wir uns – man höre und staune – eine aktive Rolle der Regulierung, um ein gutes Gleichgewicht herzustellen. Denn die Internetwirtschaft begünstigt zentralisierende, globale Netzwerkkonzerne. Das ist eine Gefahr für dezentrale wirtschaftliche Strukturen, was sich heute schon sichtbar am Rückzug des Einzelhandels aus vielen Städten zeigt. 

Zu diesen Monopoltendenzen braucht es ein Gegengewicht – auch wieder durch das Bewahren von Vielfalt. Deshalb führt es in die Irre, nur auf Fintechs zu schielen, oder neue Player regulatorisch zu bevorzugen. Innovativ sind auch die bestehenden kreditwirtschaftlichen Institute. 

Deshalb möchte ich Sie ermutigen: Fördern Sie die Innovationskraft der Verbünde und der lokalen Banken. Denn unsere Innovationen kommen direkt einem breiten Publikum zugute. Schaffen Sie im nationalen und europäischen Wettbewerbs- und Kartellrecht Chancengleichheit zwischen Banken und Fintechs, aber auch zwischen Einzelakteuren und Verbünden. Achten Sie darauf, dass Innovationen das dezentrale Wirtschaftsleben in Europa unterstützen und einen hohen Datenschutzstandard erfüllen.

So können wir dazu beitragen, dass sich die Menschen auch in einer digitalisierten Gesellschaft und Wirtschaft einbezogen, gehört und berücksichtigt fühlen.

Uns allen wünsche ich mehr Zutrauen in die kleinen Akteure in Europa - denn sie sind die Basis für dieses große Projekt. Lassen Sie uns insgesamt mehr auf die Stärken setzen, die die lokalen Kreditinstitute mitbringen. 

Und lassen Sie uns gemeinsam ein modernes Europa bauen.

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