Rede von Georg Fahrenschon anlässlich des Deutschen Kommunalkongresses
20.06.2017 – „Sparkassen - ein unverzichtbarer Teil der kommunalen Familie“
Es gilt das gesprochene Wort.
Meine Damen und Herren,
das jüngste Reflexionspapier der Europäischen Kommission zur Entwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion bestätigt, dass Europa mehr für seine wirtschaftliche Kraft tun muss.
Deshalb ist es auffällig, dass von einem „europäischen Bankenmarkt“ vor allem in Zusammenhängen gesprochen wird, in denen es entweder um grenzüberschreitende Bankaktivitäten geht, oder um die Emission europäischer Schuldtitel, oder um organisierten Haftungstransfer, etwa im Zuge einer Vergemeinschaftung der Einlagensicherung.
Hier macht sich eine wenig differenzierte Betrachtungsweise breit, die mit den strukturellen Stärken Europas wenig anzufangen weiß, namentlich mit starken lokalen Akteuren. Gerade die Sparkassen leisten mit der Rückendeckung ihrer kommunalen Träger einen verlässlichen Beitrag zur Stabilität und zur Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands - und damit der Europäischen Union.
In der anhaltenden und von der EZB „immer lang und länger“ gezogenen Niedrigzinsphase gibt es für die Sparkassen besonders viel zu tun. Gerade wenn Zins und Zinseszins entfallen, müssen die Menschen mehr sparen, früher anfangen, und vielleicht auch anders sparen als bisher. Dazu brauchen sie unsere Unterstützung. Deshalb ist es richtig und auch vertrauensbildend, dass sich Sparkassen ganz praktisch um konkrete Lösungsangebote für die private Vorsorge kümmern.
Insgesamt haben die Kunden der Sparkassen im letzten Jahr mehr als 41 Mrd. Euro zusätzliches Geldvermögen gebildet. Der größte Anteil davon entfiel mit 37 Mrd. Euro auf Privatkunden. Das ist ein Plus von fast 22 Prozent, der höchste Stand seit 15 Jahren. Und wir sehen im ersten Quartal 2017 erneut eine steigende Tendenz auf Bundesebene. Gleichzeitig haben die Sparkassen das Unternehmenskreditgeschäft über Markt ausgebaut. Besonders wichtig ist, dass dieses Wachstum nicht mit einem höheren Risikoniveau erkauft wurde. Dadurch haben sich die Sparkassen in einem anspruchsvollen Markumfeld als verlässlicher Partner für den Mittelstand und den privaten Vermögensaufbau bewährt.
Sie haben außerdem ihr breites gesellschaftliches Engagement beibehalten und stützen die über 700 Sparkassenstiftungen bundesweit durch zusätzliches Kapital. Und mit erneut 2,9 Mrd. Euro gewerblichen Steuerleistungen an die öffentliche Hand stärken die Sparkassen die Handlungsfähigkeit der Städte, Kreise und Gemeinden bundesweit.
Das „Geschäftsmodell Sparkasse“ funktioniert also, selbst unter widrigen Umständen. Gleichzeitig beobachten wir, dass sich Negativzinsen in immer mehr Marktsegmente vorfressen. Über alle Bankengruppen hinweg haben inzwischen einige Institute begonnen, für bestimmte Kundengruppen Verwahrentgelte zu berechnen. Bei einzelnen Sparkassen, die dazu übergehen, betrifft dies in der Regel größere Volumina von Firmenkunden, institutionellen und auch kommunalen Anlegern, um die aus der EZB-Politik resultierenden Zinsbelastungen in Teilen aufzufangen und nicht länger in vollem Umfang subventionieren zu müssen.
Gleichzeitig sehe ich es als besondere Leistung der Sparkassen, dass sie die Millionen von Sparern im mittlerweile dritten Jahr vor den negativen Marktzinsen besonders schützen.
Sinnvoller wäre ohnehin ein anderer Ansatz, der bewährte Strukturen belässt, aber dafür eine bessere und zielgenauere Regulierung ermöglicht. Hier sehen wir Handlungsbedarf. Unter dem Eindruck der Finanzkrise vor zehn Jahren hat Europa ein Regelwerk nach der Methode „one-size-fits-all“ für alle Kreditinstitute erarbeitet. Es sollte signalisieren, dass ohne Unterschied hart durchgegriffen wird, und dass dies dann auch alle Kreditinstitute im gleichen Maße betrifft. Diese Methode hat den Praxistest nicht bestanden. Bei uns kommt zu viel und oft auch unpassende und unnötige Regulatorik an. Das stellt kleinere Institute im Wettbewerb schlechter und zieht viel Kraft aus dem Kundengeschäft ab.
Deshalb hat der DSGV eine „small and simple banking box“ vorgeschlagen, also eine nach Größe und Risikoprofil abgeschichtete Regulatorik. Es geht darum, künftig für Kreditinstitute mit weniger komplexen Geschäftsmodellen von vornherein weniger umfangreiche Vorgaben zu erreichen. Nicht, weil das Geschäftsmodell der Sparkassen „simpel“ wäre. Sondern weil es eine einfach umsetzbare Regulatorik verdient. Aus der Bundesbank und der BaFin erfahren wir mit diesem Antritt gute Unterstützung. Auch die Volks- und Raiffeisenbanken und die kleineren privaten Banken haben die „small and simple banking box“ zu ihrem Anliegen gemacht.
Ich will es aber offen ansprechen: Auf der betrieblichen Seite mussten sich die Sparkassen im vergangenen Jahr erheblich strecken, um ein stabiles Ergebnis zu erreichen. 2017 wird die Institute noch deutlich stärker fordern. Vor uns liegen Jahre großer zinsbedingter Belastungen bei gleichzeitig steigenden Aufwänden, vor allem für die IT-Umsetzung der Regulierung und für die Cybersicherheit. Wir haben uns hier bisher keine Blöße gegeben – und dabei soll es bleiben.
Die Aufwands-/Ertragsrelation der Sparkassen wird bei dieser Ausgangslage in den nächsten drei Jahren auf rund 75 Prozent ansteigen – im Durchschnitt. Wir müssen also unser Geld wirklich gut zusammenhalten. Die Sparkassen bundesweit haben trotz guter Vorsorge bereits einen energischen Konsolidierungskurs eingeschlagen. Sie konnten von den erwarteten 800 Mio. Euro Ertragsrückgang im Zinsergebnis fast die Hälfte unternehmerisch auffangen. Zum Teil waren harte Einschnitte nötig, die Sie vor Ort auch spüren:
Die Sparkassen haben im letzten Jahr 900 vor allem kleine Geschäftsstellen abgebaut. Gleichzeitig wurden insgesamt über 200 SB-Filialen neu eröffnet. Dieser Trend wird sich abschwächen, aber er wird anhalten. Es wird Fusionen geben, wir sind schon jetzt bei 393 Sparkassen. Eine Reihe von Häusern wird auch 2017 zusammengehen. Massenhafte Fusionen sehe ich aber nicht – und sie wären auch nicht wünschenswert. Und es wird weiterhin notwendig sein, Personal in den Sparkassen abzubauen. Dazu muss die natürliche Fluktuation genutzt werden.
Der Kern unseres Geschäftsmodells wird sich jedoch nicht ändern: Auch künftig werden Menschen persönliche Ansprechpartner brauchen. Und auch künftig werden Geschäftsstellen eine Zukunft haben. Vieles wird aber anders ausgestaltet sein müssen: Vor allem wollen wir für unsere Kunden leichter erreichbar sein, wenn sie unsere Unterstützung von unterwegs benötigen, oder ganz bequem zuhause vom Sofa aus. Deshalb arbeiten die Sparkassen konsequent daran, Services und Transaktionen ins Netz zu verlagern.
Wir wollen vor Ort und im Netz der bevorzugte Finanzpartner der Deutschen sein. Dabei ist für uns als Sparkassen-Finanzgruppe ein sorgfältiger Umgang mit Daten genauso wie höchstmögliche Sicherheit absolute Voraussetzung. Das unterscheidet uns von den Angeboten vieler Fintechs. Deshalb liegen so alltagstaugliche Angebote wie die Sparkassen-App oder unser Handy-zu-Handy Bezahlen „Kwitt“ bei den Nutzerzahlen auch weit vor der jungen Konkurrenz. Gerade im Zahlungsverkehr setzen die Sparkassen nach wie vor Marktstandards. Damit sichern wir einen wichtigen Pfeiler unseres Gesamtergebnisses.
Unsere Geschäftsstellen wollen wir aufwerten. Die Filialen werden deshalb zu Orten ausgebaut, die Menschen in ihrer Nachbarschaft zusammenbringen und noch mehr hochwertige Beratungs- und Informationsangebote vorhalten. Und als einer der wichtigsten Arbeitgeber bundesweit investieren Sparkassen außerdem in die digitale Fitness ihrer 225.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch dadurch stärken wir die Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland.
In vielen Kommunen spüren die Menschen inzwischen die Veränderungen durch den demografischen Wandel. Busanbindung, Postamt und ein Bäcker in Laufnähe – all das gibt es vielerorts schon lange nicht mehr. Deshalb ist es mir wichtig, hier noch einmal deutlich zu sagen: Die Sparkassen betreiben deutschlandweit und auch im europäischen Vergleich nach wie vor das dichteste Netz an Filialen, und das dichteste Netz an Geldautomaten. Sie bieten persönliche Beratung in allen Städten und Kreisen Deutschlands. Dadurch mildern wir die wachsende Kluft zwischen Ballungsräumen und ländlichen Regionen.
Sparkassen arbeiten mit daran, dass sich die Menschen in unserer europäischen, demokratischen und marktwirtschaftlichen Ordnung gut aufgehoben fühlen. Deshalb ist es auch vernünftig, dass Sparkassen in ihrer Struktur anders sind.
Durch den öffentlichen Auftrag und die kommunale Trägerschaft sind Sparkassen sehr nah an der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Realität in ihrer Region. Kommunale Vertreter, aber auch sachkundige Bürger, Geschäftsleute, Handwerker und Dienstleister bringen zusätzlich zu ihren beruflichen Kenntnissen auch ihr Wissen über die örtlichen Strukturen und die regionalen Wirtschaftskreisläufe in die Arbeit der Verwaltungsräte mit ein. Diese regionale Kompetenz trägt erheblich zur Risikobegrenzung in den Sparkassen bei und hatte auch Anteil daran, dass Sparkassen eben nicht zu den Verursachern der Finanzkrise zählten.
Diese Zusammenhänge sind heute nicht mehr selbstverständlich bekannt, offensichtlich auch nicht bei der Europäischen Bankenaufsicht EBA und der EZB. Sie blenden in ihren Vorschlägen zur Corporate Governance europäischer Kreditinstitute die Besonderheiten öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute völlig aus. Die EZB hat ihren finalen Leitfaden im Mai veröffentlicht, ohne auf unsere Kritik hinsichtlich der ungerechtfertigten Stigmatisierung von politischen Vertretern in Aufsichtsorganen einzugehen. Wir setzen daher noch auf Korrekturen durch die EBA, deren Leitlinien weiterhin in Überarbeitung sind. Daran arbeiten wir intensiv gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden.
Aus Sicht der Sparkassen müssen aber auch die Anliegen unserer Kunden von den Regelsetzern zukünftig mit größerer Sorgfalt bedacht werden. Hier erleben wir oft genug eine gewisse Lebensferne. Unter dem Eindruck anhaltender Nullzinsen ist der Wunsch der Menschen nach Sicherheit, Vorsorge und regionaler Verankerung ihres Finanzpartners zuletzt wieder stark gewachsen. Diese direkte Unterstützung muss auch weiterhin ohne Eintrittsgeld möglich sein, also in Form von provisionsbasierter Beratung. Beratung nur gegen Honorar ist deshalb aus unserer Sicht falsch verstandener Verbraucherschutz.
Und dann wissen Sie aus Ihrer eigenen Arbeit: Private Haushalte und Unternehmen investieren am liebsten in Städten, Kreisen und Gemeinden mit einem lebendigen Gemeinwesen. Wir brauchen diese Impulse. Deshalb darf die Kommunalfinanzierung nicht immer weiter regulatorisch erschwert werden.
Seit Generationen arbeiten Sparkassen und ihre kommunalen Träger gemeinsam für lebenswerte Gemeinschaften mit wirtschaftlicher Kraft. Vieles, was wir als Sparkassen tun, sieht heute etwas anders aus, als noch vor Generationen. Dass wir uns dafür auch selbst umstellen und in den internen Abläufen schlanker aufstellen müssen – das schreckt uns nicht.
Sparkassen sind im Wandel geboren und mit dem Wandel großgeworden. Sparkassen entstanden ja in einer Zeit der europäischen Neuordnung, großer Migrationsströme und eines wirtschaftlichen Umbruchs - damals durch die aufkommende Industrialisierung. Heute liegt die wesentliche Herausforderung für Sparkassen aus meiner Sicht darin, dass wir in der Balance zwischen wirtschaftlichem Nutzen und den Interessen unserer Kunden und Träger immer neu und sehr sensibel abwägen müssen. Denn das Geschäftsmodell der Sparkassen ist nicht nur wirtschaftlich tragfähig, es ist auch wertegebunden. Werte sind eine zuverlässige Entscheidungshilfe auch in komplexen Marktverhältnissen und betriebswirtschaftlich herausfordernden Zeiten. Unsere Werte heißen: Menschen verstehen. Sicherheit geben. Zukunft denken. Unsere Marke sagt deutlich: Sparkassen sind anders.
Das können die Sparkassen aus meiner Sicht an vielen Stellen ihrer geschäftlichen Aufstellung zeigen:
- Vertragstreue gegenüber Kunden gehört dazu,
- glaubwürdige und transparente Kommunikation auch bei schwierigen Themen,
- unsere Präsenz in ländlichen Gebieten, für die es inzwischen eine breite Palette von Möglichkeiten gibt
- durch konstant hohe Leistungen für einen facettenreichen Mittelstand in Deutschland
- und durch ein digitales Angebot, dass auf Unterstützung der Menschen im Alltag setzt.
Unsere wichtigste Ertragsquelle wird deshalb auch in Zukunft sein, dass wir uns auf die Lebenssituation unserer Kunden einstellen, dass wir sie fair und mit Respekt behandeln. In dieser geschäftlichen Aufstellung wissen wir als Sparkassen die Städte, Kreise und Gemeinden an unserer Seite.
Dafür sage ich Ihnen meinen herzlichen Dank.
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