16. Sparkassen-Forum Deutscher Mittelstand
Unternehmen digital - Erfolg durch Vernetzung
21.3.2017 – Eröffnungsrede von Georg Fahrenschon, Präsident des DSGV
Es gilt das gesprochene Wort.
Meine Damen und Herren,
Sie sind aus allen Regionen Deutschlands heute zu uns nach Berlin gekommen. Darüber freue ich mich und heiße Sie im Namen der Sparkassen-Finanzgruppe herzlich willkommen zum 16. Sparkassen-Forum Deutscher Mittelstand.
Dies ist eines der großen Treffen für Mittelstand, Politik, Wissenschaft und Finanzwirtschaft in Deutschland. Und mein Eindruck ist – für uns alle sind dies ganz bemerkenswerte Zeiten.
Deshalb ist es mir wichtig, zu Beginn dieser Veranstaltung einmal die drei großen Herausforderungen zu skizzieren, vor denen wir als Sparkassen, Landesbanken und Sie als unsere Firmenkunden gemeinsam stehen.
Deutschland als die am stärksten global vernetzte Volkswirtschaft ist dadurch besonders verwundbar. Der Welthandel wächst bereits schwächer als die weltweite Produktion. Und in den wenigen Monaten nach dem Brexit-Referendum ist unser Güteraustausch mit Großbritannien um 5,5 Prozent eingeknickt. Wir sind also aufgefordert, mit Nachdruck für freie Märkte und für internationale Kooperation einzustehen – und zwar sowohl im europäischen Raum, als auch global.
Wirklich im Trend liegt das nicht. Offensichtlich sind viele Menschen der Meinung, dass die Globalisierung ihnen mehr Nachteile als Vorteile bringt. Das war bei der Wahl in den USA sehr deutlich. Und die Gespräche vom Wochenende zwischen der Bundeskanzlerin und dem US-Präsidenten zeigen, dass eine dichtere multilaterale Vernetzung wirtschaftlicher Aktivitäten kein Selbstläufer wird.
Selbst in Deutschland würde trotz guter Wirtschaftslage eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung eine wirtschaftliche Abschottung in Kauf nehmen, auch wenn dadurch das Wirtschaftswachstum zurückgehen würde . Wir müssen deshalb dafür werben, dass offene Grenzen, ungestörte weltweite Handelsbeziehungen und internationale Kooperation das richtige Konzept für die Zukunft sind – nicht Abschottung, Strafzölle und neue Grenzen.
Es ist genau richtig, dass Deutschland das Jahr seiner G-20-Präsidentschaft dafür nutzt, die Chancen globaler Zusammenarbeit ganz oben auf die Agenda zu setzen.
Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass von den positiven Effekten offener Märkte alle Teile der Bevölkerung profitieren und das im Alltag spüren. Der Schlüssel zu einer breiten positiven Wahrnehmung internationaler Wirtschaftsbeziehungen sind deshalb die grenzüberschreitenden Aktivitäten mittelständischer Unternehmen. Daran hat Deutschland ein politisches und wirtschaftliches Interesse.
Sparkassen können dafür – zusammen mit den Landesbanken – die gesamte kreditwirtschaftliche Palette im Internationalen Firmenkundengeschäft anbieten. In diesem Geschäftsfeld steckt für unsere gewerblichen Kunden und auch für uns noch deutlich mehr Potenzial. Und dies ist zugleich eine sehr praktische Form, wie wir unsere Werte gegen protektionistische Tendenzen verteidigen können.
Die Europäische Zentralbank lässt ja ihr Anleihekaufprogramm weiter laufen - trotz einer Inflationsrate, die in Deutschland und anderen europäischen Ländern schon über dem Zielwert von nahe zwei Prozent liegt, und auch entgegen der nochmaligen Zinserhöhung der Federal Reserve vor wenigen Tagen. Das bedeutet, dass die EZB mindestens bis Jahresende ein Volumen von 300 Mio. Euro pro Stunde in die bereits übersättigten Märkte pumpt.
Viel Liquidität ergibt zunächst zwar vorteilhafte Bedingungen für Kreditnehmer. Inzwischen sind diese Positiveffekte aber weitgehend ausgereizt. In den vergangenen Jahren haben unsere Kunden – wo immer möglich – hochverzinste Kredite getilgt. Und diejenigen, die niedrigste Zinsen für sich nutzen wollten, haben sich bereits mit günstiger Liquidität eingedeckt. Das gilt sowohl bei den Unternehmen, als auch bei Privatpersonen, vor allem im Immobilienbereich.
Die belebenden Effekte der sehr niedrigen Zinsen gehen also zurück. Dafür treten die Negativeffekte immer deutlicher zutage. In der Finanzwirtschaft sind das vor allem zwei Entwicklungen. Zum einen erhöht zu viel Liquidität die Gefahr, dass an den Märkten Engagements mit zu hohen Risiken eingegangen werden. Denn der Zins als Maßstab für Risiko existiert ja nicht mehr. Der zweite Effekt trifft vor allem Kreditinstitute mit traditionellem Bankgeschäft wie Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Bei ihnen gehen die Zinserträge aus dem Geschäft mit Einlagen und Krediten immer weiter zurück.
Bei den Sparkassen war es 2016 ein Rückgang um 3,7 Prozent im Zinsüberschuss, unserem wichtigsten Ergebnisträger. Auch der Beitrag aus der Verzinsung des Eigenkapitals ist rückläufig. Die Sparkassen haben sich auf die bestehende Lage eingestellt. Sie schöpfen bestehende Ertragsmöglichkeiten aus und senken konsequent die Kosten. Die Zinssituation wird uns aber auch in den nächsten Jahren massiv fordern.
Gleichzeitig beobachten wir, dass sich Negativzinsen in immer mehr Marktsegmente vorfressen. Die EZB berechnet Banken schon länger eine Parkgebühr von 0,4 Prozent auf ihren Konten. Sogar langfristige Bundesanleihen werfen Negativrendite ab.
Über alle Bankengruppen hinweg haben inzwischen einige Institute begonnen, für bestimmte Kundengruppen Verwahrentgelte zu berechnen. Bei den einzelnen Sparkassen, die dazu übergehen, geht es jeweils um mehrere Millionen Euro Einlagen, um die aus der EZB resultierenden Zinsbelastungen in Teilen aufzufangen und nicht länger in vollem Umfang subventionieren zu müssen. Damit stellen die Institute nach unserer Beobachtung sicher, dass für die Breite der Sparer solche Entgelte auch in der Zukunft nicht berechnet werden müssen.
Obwohl viele Menschen ihr halbes Leben im Smartphone mit sich herumtragen und sich angeblich alle elf Minuten online verlieben, fühlen sich gleichzeitig immer mehr Menschen durch die Innovationsgeschwindigkeit überfordert .
Digitalisierung wird vor allem von den politischen und wirtschaftlichen Eliten als Verheißung beschrieben. Vielleicht auch deshalb, weil sie die Chancen global vernetzter Märkte besser durchdringen und mit gestalten können. Große Teile der Bevölkerung hingegen misstrauen einer auf Algorithmen basierenden Digitalisierung mit einer umfassenden Ausforschung ihrer Lebensgewohnheiten. Die Menschen empfinden eine zunehmend datengestützte Lebenswelt als Kontrollverlust und Fremdbestimmung durch global agierende Konzerne.
Hier bietet sich aus meiner Sicht eine große Chance für den deutschen Mittelstand und für die mittelständische Kreditwirtschaft. Denn wir sind keine Konzerne. Und unser Geschäftsmodell ist eben nicht die Ausforschung von Lebensgewohnheiten. Gleichzeitig sind wir nah genug bei unseren Kunden, um den Kontakt durch digitale Technik noch einfacher, komfortabler und persönlicher zu gestalten. Wir erreichen alle Altersklassen, alle Wirtschaftszweige, alle Regionen. Wir sind außerdem gemeinsam der wichtigste Multiplikator für eine stärker auf mediale Abläufe gestützte Arbeitswelt.
Es ist meine feste Überzeugung: Gerade die Sparkassen und der deutsche Mittelstand können die Digitalisierung so gestalten, dass sie von der Breite der Menschen angenommen, genutzt, und dadurch schrittweise in unserer Wirtschaft, in Gesellschaft und Verwaltung selbstverständlich wird. Dabei ist für uns als Sparkassen-Finanzgruppe ein sorgfältiger Umgang mit Daten und höchstmögliche Sicherheit absolute Voraussetzung. Was Sparkassen im Markt umsetzen, muss den Sicherheitsbedürfnissen von 50 Millionen Deutschen entsprechen. Das ist ein großer Unterschied zu den Angeboten vieler Fintechs.
Dennoch wollen wir beide Welten besser verknüpfen: Fintechs haben gute Ideen, wir haben die größte Kundenbasis Europas. Deshalb laden wir die Entwickler der ganzen Welt ein, Innovationen mit uns gemeinsam umzusetzen – aber zu unseren Bedingungen und nach unseren Sicherheitsvorgaben. Mit dieser Philosophie haben wir beispielsweise in kurzer Zeit unsere Bezahllösung „Kwitt“ für das Handy-zu-Handy-Bezahlen entwickelt.
Gleichzeitig ist jede Sparkasse genau wie auch jedes mittelständische Unternehmen aktuell gefordert, den eigenen Digitalisierungsbedarf genau zu erkennen und durch einen überschaubaren Maßnahmenkatalog schrittweise abzuarbeiten.
Viele setzen dabei in unserem klassischen Kernkompetenzfeld an, dem Zahlungsverkehr. Ein Beispiel dafür ist „Paydirekt“ als System für sicheres Bezahlen im Internet mit einem besonders hohen Maß an Datensicherheit sowohl für den Verbraucher, als auch für den Händler.
Mittelstand und Sparkassen-Finanzgruppe teilen diese drei großen Herausforderungen:
Wir stehen ein für weiterhin offene Märkte, wir wollen ertragreich wirtschaften in einer Welt ohne Zinsen, und wir prägen innovative Geschäftsmodelle aus, mit großem Respekt vor der Datenhoheit der Menschen.
In allen drei Punkten wollen wir als Sparkassen und Landesbanken Ihnen als unseren Firmenkunden auch in Zukunft den Rücken frei halten und wesentlicher Teil ihrer finanziellen Zulieferkette sein. Aktuell beobachten wir, dass Unternehmen vermehrt in die Qualifikation ihrer Mitarbeiter investieren, in Software, in den Aufbau von Netzwerken und in Patente. Dadurch wächst der Ertrag pro Mitarbeiter in den meisten Unternehmen stetig an und die Unternehmen werden krisenfester durch den starken Fokus auf Effizienz und qualitative Verbesserung.
Sinnvoll ist jetzt, diese Dynamik nicht zu bremsen. Vielmehr wäre es zielführend, auch bei der Regulierung der mittelständischen Kreditwirtschaft dafür zu sorgen, dass Ertragsspielräume erhalten bleiben und Investitionen mit voller Kraft unterstützt werden können. So können Sparkassen, Landesbanken und die deutschen mittelständischen Unternehmen gemeinsam bei der Digitalisierung dieses Landes eine enorme Schubkraft erzeugen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, und noch einmal herzlich willkommen beim 16. Sparkassen-Forum Deutscher Mittelstand!
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